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9Abenteuer Leben Fragen nach Gut und Böse Als Kinder übernehmen wir ungeprüft die Verhaltensregeln und moralischen Vorstellungen, die wir von unseren Eltern empfangen. Dann aber kommt der Moment, sei es aufgrund des Alters oder dank der Erziehung, dass einfache Fragestellungen nicht mehr ausreichen. Der Mensch ist ein vernünftiges Wesen. Unser Verstand drängt uns dazu, tiefer in die Tatsache der Moral einzudringen. […] Wir suchen also die Grundlagen der Moral, und wir verlangen nach begründeter Auskunft über das Gute und das Böse. Warum ist es nicht immer das Beste, das zu tun, „was mir eben in den Sinn kommt“? Warum gibt es keine Ausnahmen von moralischen Geboten? Warum gibt es moralische Werte, die in einer Kultur anerkannt, aber von einer anderen verworfen werden? Warum haben die Völker Mit tel amerikas die Menschenopfer gutgeheißen, während die alten Griechen so etwas ablehnten? Warum war im römischen Recht das Foltern des Angeklagten erlaubt, warum ist es nach heutigem Recht verboten? Warum haben die Spartaner die kränklichen Säuglinge getötet, während wir sie heute ganz besonders pflegen und schützen? Die Philosophie ist das vernünftige Instrument, mit dem sich solche Fragen beantworten lassen. [...] Sie ist vernünftig (rational), umfassend (universal) und radikal, das heißt, sie geht den Dingen auf den Grund. nach Héctor Zagal, S. 25-26 A5 a) Welche Fragen zur Moral bzw. nach Gut und Böse werden in dem Text gestellt? b) Welche Fragen würdest du selbst einem „Fachmann für Moral“ stellen? Denken lernen Eines Abends, ich war sechs Jahre alt, fragte mich mein Vater, ob ich mit ihm philosophieren wolle. Was ist Philosophie? fragte ich zurück. Ariel schaute mich einen Augenblick an und sagte: Denken. Ich sah ihn dümmlich an. Er merkte, dass ich immer noch nicht verstand. Philosophieren heißt Fragen. Zweifeln. Alles in Frage stellen, was du bisher gelernt hast. Und was du in Zukunft lernen wirst. Warum soll ich dann überhaupt etwas lernen, wenn es doch nicht stimmt? Ich habe nicht gesagt, dass das, was du lernst, nicht stimmt. Ich habe nur gesagt, dass das, was wir für richtig halten, nicht stimmen könnte. Weil wir heute noch nicht wissen, was Menschen schon morgen wissen werden. Weil die Tatsache, dass wir etwas nicht verstehen, nicht heißt, dass der Mensch es nie verstehen wird. Weil Wissen und Verstehen nicht dasselbe sind. In der Schule lernst du, dass eins und eins zwei ist. Aber eins und eins kann auch drei sein. Das eine ist die Naturwissenschaft, das andere ist das Leben. Und dass beides stimmen kann, ist Philosophie. Ich war vollkommen verwirrt. Hatten sie mir nicht die ganze Zeit etwas beibringen wollen, was ich zwar nicht verstand, aber als richtig betrachtete, weil sie, die Erwachsenen, es als richtig ansahen, und nun sollte ich plötzlich so tun, als ob alles doch falsch sei? Andererseits spürte ich eine tiefe Erregung. Gerade weil ich vieles nicht verstand, hatte ich mich oft geärgert, dass auf die Frage, warum denn die Dinge seien, wie sie sind, die Erwachsenen mir regelmäßig antworteten: Darum, oder weil es schon immer so war. Mir gefiel dieses neue Spiel so fort, und ich sagte zu Ariel: Jeden Abend eine Philosophiestunde. Michel Friedman, S. 20-21 A4 a) Was ist diesem Text zufolge philosophieren? b) Kannst du die Begeisterung des Erzählers der Geschichte nachvollziehen? 5 10 15 20 25 30 35 5 10 15 20 25 Glossar: Moral, Philosophie 6645_1_4_2014_kap 1_layout 4 21.10.16 10:24 Seite 9 Nu r z u Pr üf zw ec k n E ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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