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Kompetenzen prüfen 79 Umstritten ist allerdings, wie sich Wachstum und Wohlstand am besten messen und international vergleichen lassen. Das BIP, also der Wert aller produzierten Güter und erbrachten Dienstleistungen, hat als Indikator seine Schwächen. Von Weizsäcker: Das BIP misst den Umsatz, und am Umsatz hängen Beschäftigung und Steueraufkommen. Das sind beides politische Heiligtümer… [...] und auf eine Politik der BIP-Minderung zu hoffen ist daher illusorisch. Ich würde das BIP als Wohlstandsindikator auch gar nicht abschaffen wollen, sondern es lieber relativieren. Ökonomen haben ja längst nachgewiesen, dass es keinen stabilen Zusammenhang zwischen steigendem Wirtschaftswachstum und dem persönlichen Glück der Menschen gibt. Paqué: Das stimmt so nicht. Das Auseinanderklaffen von BIP und Lebenszufriedenheit ist wissenschaftlich umstritten. Dass steigende Einkommen die Zufriedenheit nicht weiter erhöhen, gilt in der Regel nur bei sehr hohen Einkommen. Bei Geringverdienern gibt es einen klaren Zusammenhang. Ich sage ganz klar: Das BIP ist als zentraler Indikator unverzichtbar. Beim BIP wissen wir genau, was wir messen. Nämlich die marktfähige Produktion einer Volkswirtschaft … Von Weizsäcker: ... einschließlich aller Verkehrsunfälle, Überschwemmungen und sonstiger unschöner Ereignisse. Weil daran immer anschließend jemand verdient, steigt das BIP. Verkehrsunfälle als Wohlstand, das ist irgendwie absurd. Paqué: Im Zuge des Wirtschaftens und menschlichen Zusammenlebens kommt es naturgemäß zu Schäden, und werden die beseitigt, schafft dies einen Mehrwert und erhöht die Stromgröße des BIPs. Wollen Sie die Reparatur eines Unfallwagens anders messen als einen Reifenwechsel? [...] Von Weizsäcker: Ich gestehe Ihnen zu: Realistisch betrachtet lässt sich das BIP als zentraler Indikator – noch – nicht ersetzen. Die Kritik am BIP ist trotzdem berechtigt und jede ideologische Überhöhung dieses Indikators überflüssig. Wir haben längst Kategorien jenseits des Wachstums, etwa die Grundrechte in der Verfassung. Auch den Atomausstieg nach Fukushima haben wir unabhängig von wirtschaftlichen Fragen getroffen. Es macht keinen Sinn, zerstörerische Formen des Wachstums in die Wohlstandsmessung einfließen zu lassen. Daher müssen wir bei der Beurteilung, wie gut es einer Gesellschaft geht, eine Reihe anderer Indikatoren hinzunehmen. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Karl-Heinz Paqué, interviewt von Bert Losse, u.a., Debatte: „Konsumverweigerung bringt uns nicht weiter“, www.wiwo.de, 20.4.2013 45 50 55 60 65 70 Aufgaben 1. Stellen Sie die Ziele und die zugehörigen Indikatoren des Stabilitätsund Wachstumsgesetzes von 1967 sowie einen möglichen Konflikt zwischen den Zielen Wirtschaftswachstum und Umweltschutz dar. 2. Analysieren Sie das Interview mit von Weizsäcker und Paqué im Hinblick auf ihre Positionen zum Wirtschaftswachstum und dem BIP als Wohlstandsmaß. Arbeiten Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. 3. Erörtern Sie die beiden Positionen unter Einbeziehung anderer Ihnen bekannten Positionen zur Wachstumsorientierung in Deutschland. Berücksichtigen Sie dabei je eine wirtschaftliche und eine soziale Auswirkung. Erwartungshorizonte zu den Aufgaben 1 – 3 Mediencode: 72022-06 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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