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289 Ausgrenzung und Verfolgung M1 „Recht ist, was dem Volke nützt“ Hans Frank, seit 1934 Reichsminister, Präsident der Akademie für deutsches Recht (1933 1942) und seit 1939 Generalgouverneur von Polen äußert sich im Januar 1936 zur Funktion der Gerichte im „Führerstaat“: 1. Der Richter ist nicht als Hoheitsträger des Staates über den Staatsbürger gesetzt, sondern er steht als Glied in der lebendigen Gemeinschaft des deutschen Volkes. Es ist nicht seine Aufgabe, einer über der Volksgemeinschaft stehenden Rechtsordnung zur Anwendung zu verhelfen oder allgemeine Wertvorstellungen durchzusetzen, vielmehr hat er die konkrete völkische Gemeinschaftsordnung zu wahren, Schädlinge auszumerzen, gemeinschaftswidriges Verhalten zu ahnden und Streit unter Gemeinschaftsgliedern zu schlichten. 2. Grundlage der Auslegung aller Rechtsquellen ist die nationalsozialistische Weltanschauung, wie sie insbesondere in dem Parteiprogramm und den Äußerungen unseres Führers ihren Ausdruck fi ndet. 3. Gegenüber Führerentscheidungen, die in die Form eines Gesetzes oder einer Verordnung gekleidet sind, steht dem Richter kein Prüfungsrecht zu. Auch an sonstige Entscheidungen des Führers ist der Richter gebunden, sofern in ihnen der Wille, Recht zu setzen, unzweideutig zum Ausdruck kommt. 4. Gesetzliche Bestimmungen, die vor der nationalsozialistischen Revolution erlassen worden sind, dürfen nicht angewendet werden, wenn ihre Anwendung dem heutigen gesunden Volksempfi nden ins Gesicht schlagen würde. […] 5. Zur Erfüllung seiner Aufgaben in der Volksgemeinschaft muss der Richter unabhängig sein. Er ist nicht an Weisungen gebunden. […] Günter Schönbrunn (Bearb.), Weltkriege und Revolutionen, München 51995, S. 317 1. Arbeiten Sie die Änderungen heraus, die hier im Vergleich zur bisherigen Rechtsauffassung angesprochen werden. Vergleichen Sie die Stellung nahme auch mit den einschlägigen Artikeln unseres Grundgesetzes. 2. Erläutern Sie, womit diese Änderungen von Frank gerechtfertigt werden. 3. Erörtern Sie die Konsequenzen dieser neuen Auffassung für die Rechtspraxis. M2 „Sein eigenes Begräbnis erleben“ Die jüdische Ärztin Hertha Nathorff dokumentiert in ihrem Tagebuch die Repressalien, denen sie mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen zusammen ausgesetzt ist. 1939 emigriert sie in die USA. 14. April 1933 „Sie schalten gleich“. Nein, sie wüten. Aus allen Berufen, aus allen Stellen schalten sie die Juden aus „zum Schutze des deutschen Volks“. Was haben wir diesem Volk denn bis heute getan? In den Krankenhäusern ist es furchtbar. Verdiente Chirurgen haben sie mitten aus der Operation herausgeholt und ihnen das Wiederbetreten des Krankenhauses einfach verboten. Andere haben sie auf Wagen geladen und unter dem Gejohl der Menge durch die Stadt geführt. Verschiedene Bekannte sind Hals über Kopf auf und davon ins Ausland, weil sie politisch verdächtig waren. Mein altes Krankenhaus hat seine tüchtigsten und besten Ärzte verloren, die und die Patienten sind verzweifelt, es geht alles drunter und i Zum Besuch des preußischen Innenministers an ihrem Ausbildungsort in Jüterbog (Brandenburg) haben sich angehende Juristen diese Aktion ausgedacht. Foto von 1934. 5 10 15 20 25 5 10 32015_1_1_2015_Kap3_260-351.indd 289 01.04.15 11:00 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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