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3933.3 Deutsches Selbstverständnis nach 1945 15. Januar der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gedacht1, 1950 der 8. Mai als arbeitsfreier Feiertag („Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitler faschismus“, ab 1967 nicht mehr arbeitsfrei) und der 7. Oktober, der Gründungstag der DDR („Tag der Republik“), als Staatsfeiertag eingeführt. Der 8. Mai galt auch als „Tag des Dankes an die Sowjetunion“ und der 7. Oktober als „Tag des Stolzes auf die eigene Leistung“. Damit fügten sich die Feiertage zu einer Erzählung, in der auf den Kampf und die Opfer, die Erlösung und der Dank an die Befreier sowie schließlich die stolze Feier des Bestehenden folgte. Völlig anders ging die Bundesrepublik mit ihrer symbolischen Repräsentation und geschichtskulturellen Selbstdeutung um. Hier herrschte nach 1945 in dieser Hinsicht eine große Verunsicherung. In erster Linie wollte sich die Bundesrepublik sowohl gegen das „Dritte Reich“ als auch gegen die DDR abgrenzen. In der westdeutschen Bevölkerung wurde der 8. Mai lange eher als „Tag des Zusammenbruchs“ als ein Tag der Befreiung angesehen. Er fand erst nach Jahren Eingang in die offi zielle Gedenkkultur. Auch ein Gründungsdatum, an dem die Bundesrepublik sich hätte feiern können, gab es nicht. Die Bundesrepublik verstand sich als „Provisorium“, welches – wie das Grundgesetz – nur so lange Bestand haben sollte, bis sich alle Deutschen in freier Selbstbestimmung eine Verfassung geben und einen Staat bilden würden. Einen wichtigen Schub für die westdeutsche Identitätsbildung brachte der ostdeutsche Volksaufstand vom 17. Juni 1953. Kurz darauf erklärte der Bundestag den 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit“ zum ersten und einzigen Staatsfeiertag der alten Bundesrepublik. Der Aufstand habe ein für alle Mal die Behauptung widerlegt, „dass das deutsche Volk nicht die innere Kraft aufbringe, sich gegen Diktatur und Willkür zur Wehr zu setzen“. Der 17. Juni wurde damit zum Bestandteil der Nach-Geschichte des National sozialismus und der Aufarbeitung. Noch weiter geht der Historiker Edgar Wolfrum in seiner Bewertung: „Pointiert ausgedrückt war das Datum der eigentliche Gründungsakt der Bundesrepublik – und durfte es zugleich offi ziell gar nicht sein.“ Lebensstandard als Legitimation: das „Wirtschaftswunder“ Nicht nur die gegensätzlichen politischen Kurse, die beide deutsche Staaten einschlugen, auch der Wohlstand der Bevölkerung entwickelte sich unterschiedlich. In Westdeutschland förderten die Alliierten den raschen wirtschaftlichen Wiederaufbau. Zunächst musste die durch den Krieg ver ursachte Infl ation beseitigt werden. Am 20. Juni 1948 wurde in den Westzonen eine Währungsreform durchgeführt und die Deutsche Mark als neues Zahlungsmittel eingesetzt. Was sich anschließend ereignete, grub sich als Gründungsmythos der Bundesrepublik tief ins Bewusstsein der Menschen ein (u M10): Über Nacht füllten sich die Geschäfte mit Waren, die bislang nur 1 Vgl. im Kapitel „Die Weimarer Republik und ihre Bürger“ Seite 355. i Ehrenmal im Innenhof der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Foto (Ausschnitt) von 2011. Die von dem Bildhauer Richard Scheibe geschaffene Bronzefi gur wurde am 20. Juli 1953 eingeweiht. i Feier für den einmillionsten „Käfer“ im Wolfsburger Volkswagenwerk. Foto vom 5. August 1955. Der VW-Käfer wurde zum Symbol des deutschen Wirtschaftsaufstiegs. Er wurde insgesamt 21,5 Millionen Mal gebaut. 32015_1_1_2015_Kap3_386-419.indd 393 01.04.15 10:31 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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