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5.13 Aus Wein wird Essig 133 Kleine Geschichte des Essigs Ob Ägypter, Babylonier, Griechen oder Römer – die Hochkulturen des Altertums bedauerten den „säuerlichen Wein“ („Essig“) nicht, sondern wussten ihn bald zu schätzen und zur Nutzung gezielt herzustellen. Die Babylonier beispielsweise legten Fleisch in Essig ein, um es vor dem Verderben zu schützen. Römische Soldaten trugen Weinessig in kleinen Fässchen mit sich, mit dem sie das stark verkeimte Wasser genießbar und gleichzeitig zu einem schmackhaften Erfrischungsgetränk machten. Die Römer kannten Essig auch als Heilmittel und setzen ihn z. B. zur Wunddesinfektion und bei Verdauungsstörungen ein. Ausgehend von Frankreich entwickelte sich im 14. Jahrhundert die Zunft der Essigsieder, die mit einem besonderen Herstellungsverfahren die Essigbildung beschleunigten und die Qualität des Essigs erhöhten. So vielfältig und verbreitet das Wissen über Nutzen, Anwendung und Herstellung von Essig war, so wenig wusste man über die chemischen Abläufe bei seiner Entstehung. Erst im 19. Jahrhundert konnte der französische Chemiker und Mikrobiologe L. Pasteur (B2) in seiner Studie über die „Krankheiten des Weines“ (1863) zeigen, dass „Essig“, richtig die Essigsäure, aus Ethanol und Luftsauerstoff mithilfe allgegenwärtiger Essigsäurebakterien entsteht. „Essig“, Essigsäure und die Essigsäurebildung Essigsäure entsteht bei der stufenweisen Oxidation von Ethanol mit Luftsauerstoff. Die Reaktion wird von Enzymen der Essigsäurebakterien katalysiert: Enzyme Ethanol + Sauerstoff Essigsäure. Essig ist eine verdünnte, wässrige Essigsäure-Lösung. Der saure Charakter der bei der Essigbildung entstehenden (Essigsäure-) Lösung lässt sich mit pH-Indikatoren zeigen (V1, V2). Speiseessig muss (in Deutschland) mithilfe von Mikroorganismen hergestellt werden und enthält Essigsäure mit einem Massenanteil von etwa 5 % bis 15,5 % (INFO). Unter Haushaltsessig versteht man eine verdünnte wässrige Lösung von Essigsäure mit einem Massenanteil von etwa 5%. Er dient als Würzmittel für Speisen (V3, B1), wirkt gleichzeitig als Konservierungsmittel für Gemüse (V4), Heringe oder Ketchup und wird sogar als Reinigungsmittel genutzt. Syntheseessig oder technische Essigsäure wird heute industriell (ohne Bakterien) durch katalytische Oxidation von Ethanal mit Luftsauerstoff hergestellt. Die auf diese Weise erhaltene Essigsäure benötigt man für zahlreiche chemische Synthesen, so dient sie als Ausgangsstoff bei der Herstellung von Lösemitteln, Farbund Kunststoffen sowie Medikamenten. Ethanol-Lösung Abluft Spritzrad Buchenholzspäne mit Essigsäurebakterien Kühlwasser Essigausstoß Luftzufuhr Sammelraum für Essig Luftzufuhr Abluft Essigausstoß Luftverteilungsturbine Kühler Kühlwasser EthanolLuft-Schaum B3 Speiseessigherstellung. Oben: herkömmliches Verfahren mit Buchenholzspänen, unten: modernes Verfahren mit Ethanol-Luft-Schaum Schlüsselbegriffe Essig, Essigsäure, Syntheseessig INFO Bei der industriellen Speise essigherstellung läuft die enzymatische Oxidation von Ethanol in großen Stahlbehältern (B3) ab. In der ethanolischen Ausgangslösung mit w(Ethanol) = ca. 5 % (z. B. verdünnter Wein) sind die Essigsäurebakterien verteilt. Von unten wird ein Luftstrom durch den Behälter geblasen, sodass die Lösung aufschäumt und der Ethanol durch den nun in der Flüssigkeit gelösten Sauerstoff mithilfe der Bakterien oxidiert wird. Durch den Schaum ist die Oberfläche größer und die Essigbildung beschleunigt. Der entstandene Essig wird in Holzfässern gelagert und erhält so seine charakteristische Farbe. N r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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