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169Mit Material arbeiten M1 Was fordern die Kronstädter Matrosen? Ende Februar 1921 erreichen die landesweiten Unruhen auch die Seefestung Kronstadt, in der etwa 50 000 Menschen, darunter rund 16 000 Militärs, leben. Die Matrosen verabschieden am 28. Februar folgende Re so lution, die am 1. März auf einer Massen ver sammlung von etwa 15 000 Menschen bestätigt wird: Nachdem wir den Bericht der Vertreter der Mannschaften gehört haben, die von der Vollversammlung der Schiffs mannschaften nach Petrograd ent sandt worden waren, um sich über die Lage in Petrograd Klarheit zu verschaffen, haben wir beschlossen: 1. Angesichts der Tatsache, dass die bestehenden Sowjets nicht den Willen der Arbeiter und Bauern zum Ausdruck bringen, unverzüglich Neuwahlen zu den Sowjets unter den Bedingungen geheimer Stimmabgabe und freier vorhergehender Wahlagitation für alle Arbeiter und Bauern durchzuführen. 2. Redeund Pressefreiheit für Arbeiter und Bauern, Anarchisten und links sozialistische Parteien. 3. Versammlungsfreiheit, Freiheit der Gewerkschaften und Bauernvereinigungen. […] 5. Alle politischen Gefangenen, die so zialis tischen Parteien angehören, zu befreien, ebenso wie alle Arbeiter und Bauern, Rotarmisten und Matrosen, die in Verbindung mit Arbeiterund Bau ernbe wegungen eingesperrt wurden. […] 7. Jegliche Politischen Abteilungen* abzuschaffen, da nicht eine einzige Partei Privilegien für die Propagierung ihrer Ideen beanspruchen und vom Staat zu diesem Zweck Geld erhalten darf. […] 9. Gleiche Lebensmittelrationen für alle Werktätigen mit Ausnahme derjenigen in gesundheitsschädlichen Berufen. 10. Die kommunistischen Kampfgruppen in allen Truppeneinheiten sowie auch die verschiedenen kommunis tischen Aufsichts dienste in den Fabriken und Betrieben aufzulösen. […] 1. Leite aus den Forderungen die poli tischen Verhältnisse von 1920 ab. Arbeite die Ziele der Kronstädter heraus (M1). 2. Der Kronstädter Aufstand und sein gewaltsames Ende wurden zum Zeichen für die Menschenfeindlich keit des sowjetischen Systems (M1 und M2). Nimm dazu Stellung. M3 Straßenkämpfe mit der Roten Armee. Foto aus Kronstadt, März 1921. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 M2 „Die Wahrheit über Kronstadt“ Anfang März 1921 übernimmt in Kronstadt ein gewähltes Komitee die Macht. Die Sow jetregierung verhängt daraufhin das Kriegs recht über die Stadt, unterbricht die Versor gungswege und lässt am 17./18. März die Seefestung von etwa 50 000 Rotarmisten stürmen. Noch im selben Jahr gibt die Zeitung „Freies Russland“ in Prag eine Darstellung über den Kampf der Kronstädter heraus; darin heißt es: Kronstadt ist gefallen. Es fiel, ohne Unterstützung durch die Petrograder Arbeiter, ohne tatkräftige Hilfe aus dem unendlichen, in Unruhe geratenen Russ land erhalten zu haben […]. Der Kronstädter Aufstand hat die Kommunisten gezwungen, sich von ihrer Wirtschaftspolitik loszusagen, d. h. von demselben Kommunismus, für den die Oktoberrevolution durchge kämpft, ein Meer von Blut vergossen und Russland zerstört worden war. Weshalb wurde dann aber Kronstadt niedergeworfen? Weshalb? Die Liste der unerfüllten For derungen zeigt klar wofür. Für die Forderung nach der Volksherrschaft, für die Forderung nach frei gewählten Sowjets. Die Kommunisten gelangten bis zur Absage an den Kommunismus, aber sie waren nicht bereit, die Frage der Macht zur Debatte zu stellen – schon gar nicht der Macht des ganzen Volkes, der Bauern, Arbeiter, Matrosen und Rotarmis ten, wie die Kronstädter es forderten. […] Der Aufstand hat gezeigt, dass im Volk und nur im Volk mächtiges Leben steckt und dass das Volk und nur das Volk die Bolschewiki und ihre Herrschaft von innen erschüttern und überwinden kann. Nachdenklich, ja zutiefst nachdenklich, wurden dank des Kronstädter Aufstandes auch die westeuropäischen Sozia lis ten und Arbeitermassen. Für sie war der Kronstädter Aufstand ein Donnerschlag. Sie erkannten hier zum ersten Mal klar und deutlich, dass die bolschewistische Macht in Russland dem Volk selbst, den Arbeitern und Bauern als dem Rückhalt der Revolution, verhasst ist. Frits Kool/Erwin Oberländer (Hrsg.), Arbeiterdemo kratie oder Parteidiktatur, a.a.O., S. 337 und 338f.5 10 15 20 25 30 35 40 *Gemeint sind Kommunistische Parteizellen zur Über wachung und Propaganda. 11. Den Bauern das volle Recht zu geben, über ihr ganzes Land so zu verfügen, wie sie es wünschen, und auch Vieh zu besitzen, sofern sie es mit eigenen Kräften halten, d. h. sich keiner Lohnarbeit bedienen. […] 15. Freie handwerkliche Produktion auf der Basis eigener Hände Arbeit** zu gestatten. Frits Kool/Erwin Oberländer (Hrsg.), Arbeiterdemo kra tie oder Parteidiktatur, Olten–Freiburg i. Br. 1967, S. 343f. **das heißt ohne Lohnarbeit 4453_162_175 06.06.14 11:30 Seite 169 Nu r z u Pr fzw ec ke n Ei ge nt um d e C .C . B uc h r V er la gs | |
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