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M7 Chancen für Deutschland? Der Historiker Peter Longerich geht 1995 auf die Chancen ein, die der Friedens vertrag der deutschen Politik bot: Positiv zu verbuchen war, dass trotz erheblicher Gebietsverluste die Reichseinheit erhalten geblieben war, was nach der verheerenden Niederlage keineswegs als selbstverständlich hatte angenommen werden können. Zweitens stand Deutschland nicht mehr der geschlossenen Front der Kriegsgegner gegenüber: Im Gegenteil ergab sich die Chance, die tiefen Gegensätze, die nach der bolschewistischen Revolution zwischen Russland und den westlichen Siegermächten herrschten, zugunsten der deutschen Politik zu nutzen; und nach der Ablehnung der Ratifizierung des Versailler Vertrages durch das amerikanische Repräsentantenhaus und dem Abschluss eines deutsch-amerikanischen Friedensvertrages 1921 spielten die USA eher die Rolle eines Mittlers denn eines Siegers. Drittens eröffneten sich für die deutsche Außenpolitik vielfältige Möglichkeiten, gegenüber dem von Finnland bis Jugoslawien reichenden Gürtel kleiner, neu geschaffener Staaten eine Führungsrolle zu übernehmen. Viertens sprach der Zeitfaktor für eine allmähliche Lockerung der harten M5 Deutsche Gebietsund Bevölkerungsverluste nach dem Friedensvertrag von Versailles. 173Mit Material arbeiten 1. Deutschlands Westen und weite Gebiete im Osten spielten im Versailler Vertrag eine wichtige Rolle. Beschreibt und erläutert die Maßnahmen der Alliierten (M 5). 2. Arbeite aus M 6 Keynes’ Haltung zum Versailler Vertrag heraus. Erläutere, auf welche Bestimmung er sich dabei bezieht. 3. Diskutiert in der Klasse: Weshalb war bei den Friedensverhandlungen „Gerechtigkeit nichts so Einfaches“ (M 6, Zeile 18f.)? 4. Erläutere die Ansicht des Historikers zum Versailler Vertrag (M 7). Vergleiche sie mit der des Zeitgenossen Keynes (M 6). 5 10 15 20 M6 Keine Gerechtigkeit? Der englische Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes gehört zur englischen Delegation auf der Friedenskonferenz von Versailles. Er schreibt 1919 über die Bedingungen des Versailler Vertrages: Ich kann den Gegenstand nicht ab schließen, als ob seine Behandlung aussch ließlich entweder von unseren eigenen Verpflichtungen oder von den wirtschaftlichen Tatsachen abhängt. Die Politik der Versklavung Deutschlands für ein Menschenalter, der Erniedrigung von Millionen lebendiger Menschen und der Beraubung eines ganzen Volkes sollte abschreckend und verwerflich sein, selbst wenn sie möglich wäre, selbst wenn sie uns reicher machte, selbst wenn sie nicht den Verfall der ganzen europäischen Kultur zur Folge hätte. Manche predigen sie im Namen der Gerechtigkeit. Bei den großen Wendungen der Geschichte, bei der Auflösung der verwirrten Völkerschicksale ist Gerechtigkeit nichts so Einfaches. Und wäre sie das auch, so dürften doch Völker aus religiösen und sittlichen Gründen nicht an den Kindern ihrer Feinde die Missetaten ihrer Eltern oder ihrer Beherrscher rächen. John Maynard Keynes, Krieg und Frieden. Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles, hrsg. von Dorothea Hauser, Berlin 32006, S. 105 5 10 15 20 25 30 35 40 und diskriminierenden Friedensbestimmungen, etwa hinsichtlich der Bewaffnung und der Reparationen. Die mittelund langfristigen Perspektiven der deutschen Politik sahen demnach keineswegs nur düster aus – vor allem wenn man sie mit der Sackgasse verglich, in die die wilheminische „Weltpolitik“ 1914 geführt hatte. Eine solche Betrachtungsweise lag aber außerhalb der seinerzeit vorherrschenden nationalis tischen Selbsttäuschung. Peter Longerich, Deutschland 1918-1933. Die Weimarer Republik, Hannover 1995, S. 100 Nordschleswig an Dänemark Memelland (abgetreten 1919, 1923 an Litauen) Freie Stadt Danzig Posen und Westpreußen an Polen Oberschlesien an Polen Hultschiner Ländchen an Tschechoslowakei ElsassLothringen an Frankreich RUHRGEBIET Köln Koblenz Mainz Frankfurt Stuttgart München Weimar Berlin Hannover Bremen Hamburg Königsberg N o r d s e e Elbe Main Oder Donau Rhein Besetzte Gebiete Saargebiet 15 Jahre unter Völkerbundsverwaltung und franz. Besatzung Entmilitarisierte Zone Abgetretene Gebiete Abstimmungsgebiete Bevölkerungsverlust in 1000 0 300 km Eupen Malmedy an Belgien Essen O s t s e e166 60 141 89348 331 2938 1874 331 4453_162_175 06.06.14 11:30 Seite 173 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m d s C .C . B uc hn er V er la gs | |
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