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181Vertiefung – Mit Material arbeiten M1 Europa braucht Symbole Im Januar 2003 tagen in Versailles die Mitglieder der französischen Nationalversammlung und des Deutschen Bundes tages gemeinsam. Dazu schreibt die Kanzler beraterin Brigitte Sauzay: Wie nur wenige Orte in Europa macht Versailles uns bewusst, welche Strecke wir in den deutsch-französischen Beziehungen und in den Beziehungen der europäischen Nationen insgesamt zu rück gelegt haben. Versailles, das in der Geschichte – 1871 und 1919 – zuallererst Die Materialien auf dieser und den folgenden zwei Seiten machen deutlich, warum „Versailles“ zum „Er innerungs ort“ wurde. Arbeitet mithilfe der folgenden Bildund Textquellen heraus, welche Bedeu tungen „Versailles“ von der Zeit Ludwigs XIV. bis ins frühe 20. Jh. für Franzosen und Deutsche hatte. Stellt die Ergebnisse in der Klasse vor. Nennt weitere Beispiele für „Erinnerungsorte“. Begründet eure Auswahl. Erinnerungsorte Besondere Orte, an denen Könige gekrönt, Schlachten geschlagen, Verfassungen verabschiedet oder bedeutende Personen geboren wurden, werden im Laufe der nationalen Geschichte von Historikern zu Symbolen, d.h. zu Orten mit übertragener Bedeutung gemacht. Erinnerungsorte (franz. Lieux de mémoire) können auch Denkmäler, Kunstwerke oder Ereignisse sein, die eine besondere Rolle im Gedächtnis eines Volkes spielen, weil gemeinsame Erinnerungen damit verbunden werden. Ein solcher Ort ist das Schloss Versailles. M2 Der Schwur im Ballhaus von Versailles. Ölgemälde (65 x 88,7 cm) nach einer Zeichnung des Historienmalers Jacques-Louis David von 1791. Am 20. Juni 1789 versammelten sich Vertreter der Stände im Ballhaus (Jeu de Paume) des Schlosses von Versailles und erklärten sich zur National versammlung (siehe Seite 13). Zwei Monate später verkündete die Nationalver sammlung die Menschenund Bürgerrechte (siehe Seite 14 und 16). Das Gemälde zeigt den „Ballhausschwur“ nicht so, wie er sich tatsächlich abgespielt hat, sondern wie der Künstler ihn interpretiert hat. Beschreibe, mit welchen Mitteln er die besondere Bedeutung des Ereignisses darstellte. Versailles als Symbol: 1789 – 1871 – 1919 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Symbol der Erhebung des einen über den anderen, ja der Demütigung des anderen wurde, ist heute für Deutsche und Franzosen ein Ort der Verbundenheit. Damit ist der Blick wieder frei geworden auf den ganzen Reichtum, der die Geschichte unserer beiden Völker auszeichnet. Versailles ist ein Ort, an dem die Kultur Europas mit der Prachtentfaltung des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. ihren Höhepunkt erreichte. Und Versailles war bereits zu seinen Lebzeiten ein Ort der Begegnung zwischen unseren beiden Kulturen – denken Sie nur an die Briefe der Schwägerin des Sonnenkönigs, Liselotte von der Pfalz, die uns das höfische Leben in Versailles auf ironische und manchmal bittere Weise beschrieb. Versailles ist aber auch der Höhepunkt des Absolutismus, gegen den die französischen Philosophen des 18. Jahrhunderts den Kontrapunkt* der Aufklärung setzten. Im „Jeu de Paume“ – dem Saal fürs Ballspiel – in Versailles wurden die Menschenrechte während der französischen Revolution verkündet. An diese gemeinsame Tradition der Aufklärung knüpfen wir heute […] an. Darin zeigt sich der zukunftsweisende Charakter eines Symbols wie der gemeinsamen Sitzung beider Parlamente an einem historischen Ort wie Versailles. Europas Zukunft kann nur dann Gestalt annehmen, wenn sie eine konsequente Demokratisierung beinhaltet – und das Herzstück der Demokratie ist das Parlament – und wenn es uns gelingt, Europa als Lebenswelt für die Bürger Wirklichkeit werden zu lassen. […] Deutschland und Frankreich, die in der Vergangenheit durch ihre Kriege Europas Zerrissenheit verursachten, werden nunmehr – da die Aussöhnung unserer beiden Länder abgeschlossen ist – eine neue politische Semantik** für die europäische Demokratie entwickeln. Drückten unsere Symbole bislang die Bewältigung der Vergangenheit aus, so müssen die Symbole von morgen die Bewältigung der Zukunft zum Ausdruck bringen. www.bundestag.de/bp/2003/bp0302/0302003a.html (Zugriff: 20. Juni 2005) **Semantik: Bedeutung *Kontrapunkt: etwas, das einen Gegenpol zu etwas anderem bildet 4453_176_187 06.06.14 11:31 Seite 181 Nu r z u Pr üf zw ck n Ei ge tu m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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