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129Schreiben: Gedichte interpretieren Annäherungen 6. Überprüfen Sie, ob sich auch das lyrische Ich in „An den Schlaf“ ( S. 122) als Frau verstehen lässt. Begründen Sie das Ergebnis und schätzen Sie ein, ob diese Deutung plausibel ist. Hierzu können Sie auch die biografischen Hintergrundinformationen zu allen drei Goethe-Gedichten heranziehen. 7. Luise Pusch, Professorin am Institut für Frauen-Biografieforschung, leitet ihre Ausführungen allerdings mit dem Satz ein „Über diese kühne Eingebung Goethes, das lesbische Veilchen und seinen Liebeswahn, wollte ich doch schon immer mal eine Glosse schreiben.“ Ziehen Sie aus der Textgattung Ihre Schlüsse. Luise F. Pusch Natürlich sahen wir das völlig anders. Der schönen Erkenntnis, dass „der Busen eindeutig weibliche Qualität hat“, stimmten wir fräudig [sic] zu, aber dass ausgerechnet das „herzigeVeilchen“ ein Mann sein soll, nur weil es die junge Schäferin anhimmelt, ist doch wohl mehr als verschroben. Hier nun die korrekte Interpretation des Gedichts […]: Das Veilchen ist ein Mädchen, das für die junge Schäferin schwärmt und von ihr abgepflückt werden möchte, damit es an ihrem Busen ruhen und matt gedrückt, um nicht zu sagen plattgedrückt werden kann – eine todessüchtige, rührende und ziemlich pubertäre Vorstellung. Zwar glaubt es durch den „Tritt“ (die Nichtbeachtung) der Schäferin zu sterben, aber davon wird es sich erholen, schließlich ging diese „mit leichtem Schritt“. Richtig tödlich wäre es geworden, wenn die Schäferin den schwärmerischen Wunsch des Veilchens erfüllt und es abgepflückt hätte wie einst der wilde Knabe das arme Heideröslein. Lehrer Schill aber macht lieber ein Veilchen zum Manne, als die Liebe eines Mädchens zu einer Frau oder einem Mädchen („das Mädchen kam”) in Betracht zu ziehen. […] Bei Lehrer Schill haben solche Mädchen keine Chance zu einer Spiegelung ihrer Gefühle durch unseren Dichterfürsten und im Unterrichtsgespräch. Er bleibt lieber bei seinem heteronormativen Modell, das doch an unseren Schulen nun allmählich genug Schaden angerichtet hat. 5 10 15 20 Spekulation ist nicht Interpretation! • Instanz, an der alle Aussagen zu überprüfen sind: der Text • Grundlage jeder Interpretation: die beschreibende Analyse von Inhalt und Sprache Vorsicht mit Gleichsetzungen und verkürzten Übertragungen in die Lebenswelt, v.a.: Autor nicht mit Sprecher oder lyrischem Ich gleichsetzen! Nu r z u Pr ü zw ec ke n Ei ge tu m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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