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19Umgang mit Texten und Medien: Wirklichkeit als Mangel: Satire und Karikatur Wahrheiten Trunksucht aufzeigen will, also dieses Laster bekämpfe, so kann ich das nicht mit frommen Bibelsprüchen, sondern ich werde es am wirksamsten durch die packende Darstellung eines Mannes tun, der hoffnungslos betrunken ist. Ich hebe den Vorhang auf, der schonend über die Fäulnis gebreitet war, und sage: „Seht!“ Übertreibt die Satire? Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten. Wir sollten nicht so kleinlich sein. Wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren, wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein. Die echte Satire ist blut reinigend: Und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint. Was darf die Satire? Alles. Erich Kästner Sinn und Wesen der Satire Dem Satiriker ist es verhasst, erwachsenen Menschen Zucker in die Augen und auf die Windeln zu streuen. Dann schon lieber Pfeffer! Es ist ihm ein Herzensbedürfnis, an den Fehlern, Schwächen und Lastern der Menschen – also an der Gesellschaft, dem Staat, den Parteien, der Kirche Kritik zu üben. Ihn plagt die Leidenschaft, wenn irgend möglich das Falsche beim richtigen Namen zu nennen. Seine Methode lautet: übertriebene Darstellung negativer Tatsachen mit mehr oder weniger künstlerischen Mitteln zu einem mehr oder weniger außerkünstlerischen Zweck. Er stellt die Dummheit, die Bosheit, die Trägheit und verwandte Eigenschaften an den Pranger. Er hält den Menschen einen Spiegel, meist einen Zerrspiegel, vor, um sie durch Anschauung zur Einsicht zu bringen. 8. „Er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden.“ ( S. 18, Z. 5f.) Erläutere, was mit diesem Satz gemeint ist. 9. Vergleicht beide Texte und haltet fest, was nach Tucholsky und Kästner Ziel und Merkmal der Satire ist. 10. Diskutiert in der Klasse, ob es Grenzen für die satirische Darstellung gibt. Darf sie wirklich „alles“? 10 15 20 5 10 Kurt Tucholsky (geb. 1890 in Berlin; gest. 1935 in Göteborg) Erich Kästner (geb. 1899 in Dresden; gest. 1974 in München) N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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