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7Wir haben euer Geschichtsbuch so aufgebaut: Mit diesem Buch erfolgreich lernen ¯ Auftaktseiten ¯ Einblick-Seiten Liebe Schülerinnen und Schüler, im Geschichtsunterricht habt ihr euch inzwischen auf vielfältige Weise mit der Geschichte der Menschen von den Anfängen bis zur Antike beschäftigt. Lehrbuchtexte, Bildund Textquellen sowie Schaubilder und Karten haben euch eine Vorstellung vom Leben und Herrschen in früheren Zeiten vermittelt. In diesem Buch fi ndet ihr Informationen über das Mittelalter, die tief greifenden Veränderungen um 1500, als die Neuzeit begann, über neue und alte Herrschaftsformen, den Verlauf und die Bedeutung der Französischen Revolution, die Entwicklung des deutschen Nationalstaates und die Industrialisierung. Ihr erfahrt darüber hinaus, was uns aus diesen Zeiten heute noch prägt und warum sich eine Beschäftigung damit lohnt. Ihr lernt noch besser als bisher, Spuren der Vergangenheit zu entdecken, zu untersuchen, zu erklären, zu verstehen und zu beurteilen sowie Geschichte selbst zu erzählen. 10 11Geschichte erzählt „Und damit Gott befohlen, blinder Ritter!“, rief der alte Meier Helmbrecht ungehalten. „Verlasst auf der Stelle meinen Hof, sonst lasse ich Euch von meinem Großknecht hinausprügeln!“ „Seid doch barmherzig mit mir!“, fl ehte da der zerlumpte Blinde an der Hoftüre. „Ich bin doch Euer Sohn …“ „Ich habe keinen Sohn mehr“, entgegnete der alte Mann bitter. „Mein Sohn wollte kein Bauer sein wie ich und meine Vorväter. Er wollte sich nicht die Hände bei ehrlicher Arbeit schmutzig machen. Sein Erbteil hat er verschleudert, um sich wie ein adliger Herr herauszuputzen. Und als alles verprasst war, hat er die armen Bauern in den Dörfern der Umgebung in Angst und Schrecken versetzt und ausgeplündert wie ein gemeiner Ritter. Ich will mit ihm nichts mehr zu tun haben.“ Der alte Helmbrecht spuckte aus und wollte schon die Tür hinter sich schließen. Doch als er den Sohn mit bittender und kleinlauter Stimme weitersprechen hörte, zögerte er. „Aber Vater, habe ich nicht schwer für meinen Leichtsinn gebüßt? Die Gerichte haben ihr Urteil gesprochen. Mir wurden die Augen ausgestochen, eine Hand und ein Fuß zur Strafe abgeschlagen. Nun irre ich an der Hand eines Kindes umher, heimatlos, verachtet und hungrig.“ Dem alten Helmbrecht krampfte sich das Herz zusammen, als er seinen Sohn so fl ehen hörte. War das sein hochmütiger Junge? Es fi el ihm wieder ein, dass er vor wenigen Tagen schweißgebadet aufgewacht war. Er hatte geträumt, er sehe seinen Sohn an einem Baum hängen, die Füße zwei Meter über dem Boden, und über seinem Kopf einen Raben und eine Krähe. – Aber er konnte nicht anders: „Das hätte sich mein Herr Sohn früher überlegen sollen. Er hat es ja besser gewusst, als ich ihn gewarnt und auf Knien gebeten habe, doch das zu bleiben, wozu er geboren wurde, und sich nicht gegen seinen gottgewollten Stand aufzulehnen. Mein Helmbrecht war nicht nur leichtsinnig, er hat gegen Gott und die Welt gesündigt und dafür die gerechte Strafe erhalten: Hochmut kommt vor dem Fall. – Und jetzt verschwindet, sonst …“ Dieter Brückner Hochmut kommt vor dem FallLeben im Mittelalter Ein Dorf im 11. Jh. Wandbild von Fanny Hartmann, um 1990. Das Bild berücksichtigt Ausgrabungsbefunde aus Holzheim bei Fritzlar (Nordhessen). Es zeigt, wie ein Dorf im späten 11. Jh. ausgesehen haben kann. Orientierung gewinnen12 13Einblick Palermo Gft. Veszprém F A T I M I D E N K A L I F A T Birka Haithabu/Schleswig Wollin Kairuan Nikaia Dublin I r l a n d KGR. SCHOTTLAND KGR. ENGLAND Durham York London Canterbury Dorchester Le Mans Nantes Poitiers Limoges Orléans Paris Rouen Reims Bordeaux Toulouse Nîmes Navarra Léon ToledoLissabon Córdoba Almeria Verdun ArlesAix Marseille Pisa Spoleto Rom Neapel Brindisi Mailand Genua Pavia Ivrea Genf Lausanne Trier Aachen Besançon St. Gallen Reichenau Augsburg Regensburg Bamberg Köln Bremen Frankfurt Mainz Worms Straßburg KGR NORWEGEN KGR SCHWEDEN KGR DÄNEMARK Quedlinburg Magdeburg Prag Breslau Posen Gnesen Krakau Hamburg Ribe Aarhus Odense Przemysl Turow Smolensk Polozk Pskow (Pleskau) Tschernigow Kiew Cherson Tmukarakan Preslav Konstantinopel Nikomedia Ankyra Kaisareia Sinope Trapezunt Antiocheia Attaleia Sardes Damaskus Philipopel Saloniki Belgrad Spalato (Split) GranRaab Salzburg Aquilea Venedig Reggio Ravenna K G R . N A V A R R A GFT. BARCELONA K G R . L É O N O M A I J A D E N K A L I F AT V O N C O R D O B A R E I C H D E R Z I R I D E N K o r s i k a S a r d i n i e n Gotland K G R . U N G A R N K R O A T I E N H Z M . P O L E N K I E W E R R E I C H K r e t a M a l t a Gft. Bretagne Hzm. Normandie Hzm. Guyenne Gft. ToulouseHzm.Gascogne Lombardei Verona Hzm. Kärnten Hzm. Schwaben Hzm. Bayern Hzm. Böhmen Mähren Franken Niederlothringen Oberlothr. Friesland Hzm. Sachsen Mark Meißen Mark Lausitz Nordmark Mark der Billunger P e l o p o n n e s S i z i l i e n Z y p e r n K r i m K G R . ARAGON Veszprém 0 600 km200 400 Reich der Ottonen oberhalb der Alpen (Ostfranken) zu diesem Reichsteil gehörende Gebiete Königreich Italien Kirchenstaat und vom Papst beanspruchte Gebiete Reich der französischen Könige (Westfranken) mit weitgehend unabhängigen Reichsteilen Königreich Burgund Byzantinisches Reich vom Byzantinischen Reich beanspruchte Gebiete arabisch-islamische Staaten { GFT Grafschaft HZM Herzogtum KGR Königreich Reich der Ottonen 1 Mittelalterliches Bauernhaus. Fotopostkarte von 1996. Dieses Fachwerkhaus mit Wandfüllungen aus Flechtwerk und Lehm wurde um 1367 gebaut und hat eine Grundfl äche von etwa 15 x 13 m. Es zählt zu den ältes ten in Deutschland. Heute steht es im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim. Viehund Pferdestall waren im Wohnhaus untergebracht. Vor dem Haus sind ein gefl ochtener Zaun und ein Ziehbrunnen zu sehen. Mit der langen Stange holte man den Wassereimer nach oben. 3 Europas Mitte um 1000. 300 um 500: Das Weströmische Reich zerfällt, das Reich der Franken entsteht 4. Jh.: Das Byzantische Reich entsteht ab 12. Jh.: Könige, Fürsten und Bischöfe gründen Städte 500 8.-13. Jh.: Neue Techniken, Anbaumethoden und Landesausbau steigern die Erträge in der Landwirtschaft; die Bevölkerung in Europa wächst 600 700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 7./8. Jh.: Die Muslime dehnen ihre Macht auf Nordafrika und Spanien aus 7./8. Jh.: Die Grundherrschaft entwickelt sich 15. Jh.: Die „Hanse“ erlebt ihren Höhepunkt 400 1700 ab 10./11. Jh.: Adlige Herren errichten Burgen; im 12. Jh. entsteht eine höfische Kultur des Rittertums Einblick – Orientierung gewinnen 2 Spielzeugburg. Modell von 2010. Die Erzählung vom Meier Helmbrecht und seinem Sohn stammt von Wernher dem Gärtner, der im 13. Jh. lebte. Der von ihm dargestellte Streit zählt zu den zahlreichen literarischen Texten, die wir aus dem „Mittelalter“ kennen. Wir haben so viele Bilder, Texte und Überreste aus der Zeit zwischen 500 und 1500, dass der Historiker Horst Fuhrmann meint: „Überall ist Mittelalter.“ Die Ansichten über diese Epoche gehen allerdings auseinander. Die einen sprechen vom „fi nsteren Mittelalter“ und betonen Unfreiheit, Gewalt, Schmutz und Seuchen. Andere sehen vor allem die geis tigen und kulturellen Leistungen. Wieder andere sind von der Epoche fasziniert. Sie probieren mittelalterliche Kleidung, Instrumente, Spiele und Speisen aus und lesen Krimis und Romane, deren Handlung im Mittelalter spielt. Auch Filme und Computerspiele über das Mittelalter sind beliebt. Jung und alt strömen zu Mittelaltermärkten, Gauklerfesten und Ritterspielen. Alte Städte, Kirchen, Klöster und Burgen locken immer mehr Touristen an. Dieses Kapitel stellt dir Lebensbereiche des Mittelalters vor. Die Autoren gehen auf folgende Fragen ein: • Wie sah die gesellschaftliche Ordnung aus? Wie wurde sie gerechtfertigt? • Wie lebten die Menschen auf dem Lande? Wie sah ihr Alltag aus? Welche Pfl ichten und Rechte hatten sie? • Was machte der Adel? Wozu gab es Burgen? • Wie haben Nonnen und Mönche im Kloster gelebt und gearbeitet? Wieso waren Klöster so wichtig für die europäische Kultur? • Warum entstanden neue Städte? W as hatten die Einwohner davon, in einer Stadt zu leben? Vielleicht möchtest du auch wissen, warum damals die Menschen nach ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht oder ihrer Religion als ungleich angesehen wurden und weshalb der Glaube ihr Leben so stark beeinfl usst hat. Am Ende des Kapitels kannst du dir ein eigenes Bild über das Leben im Mittelalter machen und feststellen, ob in den rund tausend Jahren alles gleich geblieben ist oder ob sich etwas wesentlich verändert hat. Du wirst dann selbst beurteilen können, was im Mittelalter fi nster und was faszinierend war. 4 Mittelalterspektakel im Kloster Anrode bei Mühlhausen. Plakat von 2010. Seit den 1980er-Jahren fi nden mehr oder weniger regelmäßig Mittelmärkte und -spektakel statt. Auf ihnen treten Feuerschlucker, Musiker, Akrobaten und Kunsthandwerker auf, werden mittelalterliche Schmuckstücke, Kleider sowie Waffen (Schwerter, Bögen etc.) verkauft und fi nden Ritterturniere statt. Die Veranstalter und Akteure wollen damit Geld verdienen. Nicht immer kümmern Sie sich dabei um eine historisch zuverlässige Darstellung. Es gibt aber auch Vereine und Gruppen, die den mittelalterlichen Alltag ziemlich genau nachbilden. • Jedes Hauptkapitel beginnt mit einem großen Bild und einer interessanten Erzählung (Geschichte erzählt). Sie stellen euch ein besonderes Ereignis vor und machen euch auf die kommenden Themen neugierig. • Die Informationen auf den Einblick-Seiten dienen der ersten Orientierung. Sie deuten an, was euch auf den nächs ten Seiten erwartet und welche Fragen ihr anhand der von uns ausgewählten Texte und Abbildungen beantworten sollt. 4492_1_1_2013_001_009.indd 7 28.02.13 14:47 Nu r z u Pr üf zw ke n Ei g tu m d es C .C .B uc hn er V rla gs | |
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