Volltext anzeigen | |
Was wir wissen – was wir können 187 Was wir können Lösung: Der Text stammt aus dem „Wesen des Christentums“ (1. Teil, 3. Kap.) von Ludwig Feuerbach. Wer hat’s gesagt? „Die Religion ist die Entzweiung des Menschen mit sich selbst: er setzt sich Gott als ein ihm entgegengesetztes Wesen gegenüber. Gott ist nicht, was der Mensch ist – der Mensch nicht, was Gott ist. Gott ist das unendliche, der Mensch ist das endliche Wesen; Gott vollkommen, der Mensch unvollkommen; Gott ewig, der Mensch zeitlich; Gott allmächtig, der Mensch ohnmächtig; Gott heilig, der Mensch sündhaft. Gott und Mensch sind Extreme: Gott das schlechthin Positive, der Inbegriff aller Realitäten, der Mensch das schlechtweg Negative, der Inbegriff aller Nichtigkeiten. Aber der Mensch vergegenständlicht in der Religion sein eignes geheimes Wesen. Es muss also nachgewiesen werden, dass dieser Gegensatz, dieser Zwiespalt von Gott und Mensch, womit die Religion anhebt, ein Zwiespalt des Menschen mit seinem eignen Wesen ist.“ Testfall der Theodizee-Frage: Gott in Auschwitz? Sinnloses Leid nicht theoretisch verstehen, sondern vertrauend bestehen. Wenn man sich seit Jahrzehnten mit all den Versuchen der Theodizee immer wieder beschäftigt hat, darf man es sicher so direkt sagen: Eine theoretische Antwort auf das Theodizee-Problem, scheint mir, gibt es nicht! Von einer gläubigen Grundhaltung her ist nur das eine zu sagen: • Wenn Gott existiert, dann war Gott auch in Auschwitz. • Zugleich aber hat der Gläubige zuzugestehen: Unbeantwortbar ist die Frage Wie konnte Gott in Auschwitz sein, ohne Auschwitz zu verhindern? Ohne dass also das Leid verniedlicht, uminterpretiert oder glorifiziert oder einfach stoisch, apathisch, ge fühllos hingenommen wird, lässt sich vom leidenden Gottesknecht Jesus her erkennen und in oft beinahe verzweifelter Hoffnung in Protest und Gebet bekennen, • dass Gott auch dann noch, wenn das Leid scheinbar sinnlos ist, verborgen anwesend bleibt; • dass Gott uns zwar nicht vor allem Leid, wohl aber in allem Leid bewahrt; • dass wir so, wo immer möglich, Solidarität im Leiden beweisen und es mitzutragen versuchen sollten; • ja dass wir das Leid so nicht nur ertragen, sondern, wo immer möglich, bekämpfen, bekämpfen weniger im Einzelnen als in den leidverursachenden Strukturen und Verhältnissen. Ob dies eine lebbare Antwort ist, die das Leid nicht vergessen, aber verarbeiten hilft, muss jeder, muss jede für sich selbst entscheiden. Betroffen gemacht und ermutigt hat mich die Tatsache, dass selbst in Auschwitz ungezählte Juden und auch einige Christen an den trotz aller Schrecknisse dennoch verborgen anwesenden, an den nicht nur mitleidenden, sondern sich auch erbarmenden Gott geglaubt haben. Sie haben vertraut, und sie haben – was oft übersehen wird – auch gebetet selbst noch in der Hölle von Auschwitz. nach Hans Küng, S. 121f Aufgaben: 1. Der erste Text auf dieser Seite ist ein Zitat aus dem Werk eines wichtigen Religionskritikers. Ordnen Sie das Zitat einer der religionskritischen Positionen zu, die Sie auf S. 54-63 kennengelernt haben, und begründen Sie ihre Zuordnung. 2. Wiederholen Sie die Erklärungen zu den Übeln in der Welt, wie sie Leibniz gegeben hat (S. 64). 3. Benennen Sie die Gründe dafür, warum Hans Küng alle theoretischen Antworten auf die TheodizeeProblematik ablehnt. 4. Schreiben Sie einen Essay zu Küngs Thesen. Beziehen Sie dabei auch die religionskritischen Argumente ein, die Sie kennengelernt haben. N u r zu P rü fz w e c k n E ig e n u m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |