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legislativen Befugnis abhängt, wird oft besser von mehreren angeordnet als von einem. Es gäbe keine Freiheit mehr, wenn es keinen Monarchen gäbe und die exekutive Befugnis einer bestimmten, aus der legislativen Körperschaft ausgesuchten Personenzahl anvertraut wäre, denn die beiden Befugnisse wären somit vereint. Dieselben Personen hätten an der einen und der anderen manchmal teil – und somit könnten sie immer daran teilhaben. Es gäbe keine Freiheit mehr, wenn die legislative Körperschaft eine beachtliche Zeitspanne nicht zusammenberufen worden wäre. Montesquieu, Vom Geiste der Gesetze, Stuttgart 1984, S. 212 ff., 215 f. und 218 f. (übersetzt von Kurt Weigand) 1. Zeigen Sie, worin nach Montesquieu das Ziel der Staatsverfassung liegen sollte. 2. Beschreiben Sie, welchen Weg er vorschlägt, um dieses Ziel zu erreichen. 3. Erörtern Sie, ob man Montesquieu als den „Retter“ oder den „Totengräber“ der Monarchie bezeichnen kann. 4. Lesen Sie im Grundgesetz die Artikel 20 (2) und 38 (1). Prüfen Sie, ob sie Ideen Montesquieus enthalten. M4 Herrschaft und allgemeiner Wille Einer der einfl ussreichsten Schriftsteller der Aufklärung ist Jean-Jacques Rousseau. Er veröffentlicht 1762 in Amsterdam sein politisches Hauptwerk „Du contrat social ou principes du droit politique“ („Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes“). Diese Schrift über die vertragstheoretische Grundlegung der Gesellschaft beginnt mit der Feststellung: „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten.“ Um ihn daraus zu befreien, schlägt Rousseau vor: „Finde eine Form des Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genauso frei bleibt wie zuvor.“ Das ist das grundlegende Problem, dessen Lösung der Gesellschaftsvertrag darstellt. [...] Wenn man also beim Gesellschaftsvertrag von allem absieht, was nicht zu seinem Wesen gehört, wird man fi nden, dass er sich auf Folgendes beschränkt: Gemeinsam stellen wir alle, jeder von uns, seine Person und seine ganz Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens; und wir nehmen, als Körper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf. Dieser Akt des Zusammenschlusses schafft augenblicklich anstelle der Einzelperson jedes Vertragspartners eine sittliche Gesamtkörperschaft, die aus ebenso vielen Gliedern besteht, wie die Versammlung Stimmen hat, und die durch ebendiesen Akt ihre Einheit, ihr gemeinschaftliches Ich, ihr Leben und ihren Willen erhält. Diese öffentliche Person, die so aus dem Zusammenschluss aller zustande kommt, trug früher den Namen Polis, heute trägt sie den der Republik oder der staatlichen Körperschaft, die von ihren Gliedern Staat genannt wird, wenn sie passiv, Souverän, wenn sie aktiv ist, und Macht im Vergleich mit ihresgleichen. Was die Mitglieder betrifft, so tragen sie als Gesamtheit den Namen Volk, als Einzelne nennen sie sich Bürger, sofern sie Teilhaber der Souveränität, und Untertanen, sofern sie den Gesetzen des Staates unterworfen sind. [...] Damit nun aber der Gesellschaftsvertrag keine Leerformel sei, schließt er stillschweigend jene Übereinkunft ein, die allein die anderen ermächtigt, dass, wer immer sich weigert, dem Gemeinwillen zu folgen, von der gesamten Körperschaft dazu gezwungen wird, was nichts anderes heißt, als dass man ihn zwingt, frei zu sein [...]. Aus dem Vorhergehenden folgt, dass der Gemeinwille immer auf [...] das öffentliche Wohl abzielt: woraus allerdings nicht folgt, dass die Beschlüsse des Volkes immer gleiche Richtigkeit haben. Zwar will man immer sein Bestes, aber man sieht es nicht immer. Verdorben wird das Volk niemals, aber oft wird es irregeführt, und nur dann scheint es das Schlechte zu wollen. Es gibt oft einen beträchtlichen Unterschied zwischen dem Gesamtwillen und dem Gemeinwillen; dieser sieht nur auf das Gemeininteresse, jener auf das Privatinteresse und ist nichts anderes als eine Summe von Sonderwillen: Aber nimm von ebendiesen das Mehr und das Weniger weg, das sich gegenseitig aufhebt, so bleibt als Summe der Unterschiede der Gemeinwille. [...] Um wirklich die Aussage des Gemeinwillens zu bekommen, ist es deshalb wichtig, dass es im Staat keine Teilgesellschaften gibt und dass jeder Bürger nur seine eigene Meinung vertritt. Jean-Jacques Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, neu übersetzt und herausgegeben von Hans Brockard, Stuttgart 1977, S. 10, 21 und 30 ff. 1. Prüfen Sie, welchen Nutzen der Gesellschaftsvertrag dem Einzelnen wie der Gesamtheit aller Bürger bringen soll. 2. Arbeiten Sie Rousseaus Menschenbild heraus. 3. Analysieren Sie, wie Rousseau „Souveränität“ bestimmt und welche Konsequenzen sich aus dieser Defi nition für die Verfassung ergeben. 4. Rousseau ist für eine direkte Demokratie. Diskutieren Sie, ob und mit welchen Mitteln diese Position in einem bevölkerungsreichen Staat durchsetzbar ist. 5. Arbeiten Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Theorien Lockes, Montesquieus und Rousseaus heraus. 20 25 30 35 40 45 50 45 50 5 10 15 45Wandel des Denkens durch die Aufklärung Nu zu P rü fzw ck e Ei ge nt um de s C .C .B uc hn er V rla gs | |
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