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Der Nationalsozialismus im Spiegel der Geschichtskultur 163 Feierlichkeiten zum Gedenken an den 50. Jahrestag der „Reichspogromnacht“ 1988 kam daher eine nie zuvor dagewesene Bedeutung zu. So stieg die DDR, wie der Historiker Peter Bender resümiert, erst kurz vor ihrem Ende herunter „vom hohen Ross des ‚Siegers der Geschichte‘ und wurde, was die Bundesrepublik war: ein Nachfolgestaat des Nazi-Reiches“. Ein neuer Typ von Geschichtskultur Mit dem Zusammenbruch der DDRDiktatur konnten die Ostdeutschen damit beginnen, die Instrumentalisierung des DDR-Antifaschismus zu diskutieren. Darüber hinaus wurde seit Mitte der 1990er-Jahre der zutreffende Befund vom „instrumentalisierten Antifaschismus“ seinerseits instrumentalisiert, um die DDR zu delegitimieren. In der Bundesrepublik war die politische Kultur seit Ende der 1970erJahre pluraler. Bürgergesellschaftliche Initiativen waren zur Normalität geworden. Das beeinfl usste auch die Geschichtskultur. Die (Um-)Benennung von Straßen, Plätzen, Institutionen und Kasernen, die Errichtung, Entfernung oder Umwidmung von Gedenkorten verstand man nun nicht mehr als alleinige Angelegenheit des Staates, sondern als Resultat eines Selbstverständigungsprozesses der Gesellschaft. Selbst das große „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ im Zentrum Berlins hatte bürgergesellschaftliche Ursprünge. Heute gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Gedenkstätten für Opfer und Widerstandskämpfer aus der Zeit des Nationalsozialismus, die vom Bund, den Ländern, Kommunen oder von bürgergesellschaftlichen Akteuren errichtet wurden und betrieben werden. Das Spektrum reicht von den KZ-Gedenkstätten bis hin zu jüngeren Gedenkorten. Etwa seit dem Jahr 2000 hat das Thema Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg auch in Kinound TV-Produktionen Konjunktur. Eine neue Generation von Autoren und Regisseuren entwickelt hier eine eigene Sichtweise auf die Vergangenheit, welche in der Geschichtswissenschaft, aber auch in den Medien immer wieder kontrovers diskutiert wird (u M4). Im Jahr 2000 wurde mit der „Stolperstein“-Initiative des Künstlers Gunter Demnig eine neue geschichtskulturelle Qualität erreicht. Die Aktion liefert den Rahmen für das Engagement bürgergesellschaftlicher Akteure, die in ihrem lokalen Umfeld an das Schicksal von Opfern des Nationalsozialismus erinnern wollen, indem sie die Patenschaft für die Verlegung eines „Stolpersteins“ beantragen. Der „Stolperstein“ wird vor dem letzten selbstgewählten Wohnsitz des Opfers plan ins Pfl aster eingelassen und enthält knapp gehaltene Angaben zur Person. Bis 2011 dienten 32 000 Steine an 700 Orten in zehn europäischen Ländern dazu, das Gedenken an die Opfer im lokalen Kontext wachzuhalten und die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus anzuregen. Gleichzeitig steht diese länderübergreifende Initiative exemplarisch für die zunehmend internationaler werdende Gedenkund Erinnerungskultur an Nationalsozialismus und Holocaust, die sich heute vor allem in Museen wie dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington, D. C., oder im Jüdischen Museum in Berlin zeigt. Auch die Entwicklung des 27. Januar von einem nationalen Gedenktag der Deutschen zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ verweist auf die Tatsache, dass der Holocaust heute Teil einer transnationalen Erinnerungskultur geworden ist (u M5). i Stolperstein vor einem Haus in der Elberfelder Straße in Berlin-Moabit. Foto von 2011. 27. Januar: Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau (1945) durch die Rote Armee; 1996 Etablierung als nationaler Gedenktag in Deutschland. Seit 2005 ist der 27. Januar auch europäischer Gedenktag der EU sowie globaler Gedenktag der Vereinten Nationen. i Deportationsmahnmal Putlitzbrücke in Berlin. Foto von 2011. Vom Güterbahnhof in BerlinMoabit wurden ab Januar 1942 über 30 000 Berliner Juden in die Konzentrationslager deportiert. Das Mahnmal wurde 1987 aufgestellt und war 1992 Ziel eines Sprengstoffanschlages, der es schwer beschädigte. ur zu P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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