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313Die deutsche Nachkriegsgeschichte im Spiegel der Geschichtskultur sentation und der geschichtskulturellen Selbstdeutung. Man wollte sich sowohl gegen die Festkultur des „Dritten Reiches“ wie auch der DDR abgrenzen. Letztere hatte im Übrigen schon den 8. Mai „besetzt“, an dem sie die Befreiung durch die Rote Armee feierte. Zudem verstand sich die Bundesrepublik als „Provisorium“, welches – wie das Grundgesetz – nur so lange Bestand haben sollte, bis sich alle Deutschen in freier Selbstbestimmung eine Verfassung geben und einen Staat bilden würden. Einen wichtigen Schub für die Identitätsbildung dieses Provisoriums brachte der ostdeutsche Volksaufstand vom 17. Juni 1953. Andere Einschnitte, wie beispielsweise die Währungsreform von 1948 oder der Ereigniskomplex „1968“, wurden erst allmählich zu positiven Brenn punkten in der westdeutschen Geschichtskultur. Dass die Währungsreform zu einem Gründungsmythos der Bundesrepublik werden würde, war zunächst nicht absehbar. Der Währungsschnitt enteignete die Besitzer von Bargeld und begünstigte jene, die Land, Immobilien und Produktionsanlagen besaßen. Trotz des Lastenausgleiches von 1952 blieb sie mit dem Makel der Ungerechtigkeit behaftet. Zudem gab es 1950/51 noch eine Rezession, in deren Folge die Arbeitslosigkeit enorm anstieg. Auch war die Währungsreform der erste Akt zur endgültigen Spaltung Nachkriegsdeutschlands: In den westlichen Besatzungszonen wurde mit ihr ein Finanz und Wirtschaftssystem eingeführt, das durch die Amerikaner dominiert wurde und sich von der SBZ-Wirtschaft noch weiter entfernte. Die Sowjetunion verhängte deswegen die Berlin-Blockade. Deren Bewältigung aber brachte die West-Berliner, die Westdeutschen und die Westalliierten, vor allem die Amerikaner, einander entscheidend näher. Aus Besatzern wurden Verbündete. „Die Pointe des bundesrepublikanischen Gründungsmythos von Währungsunion und Wirtschaftswunder“, so stellt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler fest, „bestand nun darin, all diese politischen Verwicklungen wegzuerzählen und alles auf den Fleiß und die Tüchtigkeit der Deutschen zulaufen zu lassen.“ Während sich also die DDR auf einen geschichtsphilosophisch und zeitgeschichtlich konstruierten Gründungsmythos stützte, basierte das bundesdeutsche Selbstverständnis mit der Erzählung vom „Wirtschaftswunder“ auf einem weniger transzendenten und dafür mehr materiell ausgerichteten Gründungsmythos. Um es auf eine Formel zu bringen: In der DDR standen Vergangenheit (schwere Zeiten i Ritual zum 8. Mai am sowjetischen Ehrenmal in Leipzig. Foto von 1989. Nu r z u P üf zw ec ke n Ei ge tu m d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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