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Kompetenzen prüfen 287 die gleichen Bedingungen von Schutz und Hilfe erleben, werden sich alle europäischen Regierungen fragen lassen müssen, was sie tun, um die Aufnahme-, Verfahrensund Anerkennungsstandards auch tatsächlich in allen Ländern anzugleichen. Und schließlich haben wir unter Europäern die entstehenden Lasten der Solidarität gerechter, transparenter und solidarischer zu teilen […]. Grundsätzlich sollten wir überlegen, wie mehr Durchlässigkeit zwischen den Zugangswegen „Asyl“ und „Arbeitsmigration“ geschaffen werden kann. Denn wer einmal vergeblich um Asyl gebeten hat, wird kaum noch durch ein anderes Tor Einlass finden, auch wenn er oder sie Qualifikationen hat, die hierzulande durchaus gebraucht werden. Viele der Flüchtlinge, die es bis nach Deutschland geschafft haben, sind hochmobil, flexibel, mehrsprachig, leistungsund risikobereit. […] Migration, das haben Studien längst erwiesen, kann ein starker Entwicklungsmotor sein, übrigens auch für die Herkunftsländer. Oder, wie es der berühmte Ökonom John Kenneth Galbraith formulierte: „Migration ist die älteste Maßnahme gegen Armut“. Darauf sollten wir bauen, im besten Fall zum allseitigen Nutzen: mit Programmen, die so gestaltet sind, dass sie sowohl den Migranten selbst helfen als auch den Gesellschaften, von denen sie aufgenommen werden – und auf längere Sicht auch den Gemeinschaften und Gesellschaften, die sie verlassen haben. […] „Tun wir wirklich schon alles, was wir tun sollten?“ Die Antwort auf diese Frage hängt nicht allein von finanziellen Ressourcen ab oder von politischen Programmen, sondern mindestens ebenso von der Art und Weise, wie ehrlich, pragmatisch und nüchtern die Politik und die Gesellschaft die Herausforderungen der Flüchtlingspolitik diskutiert. […] Solidarität ist zuerst und vor allem eine Grundlage unseres menschlichen Miteinanders und im Übrigen ist sie Kennzeichen unserer Demokratie. […] Wir wollen doch offen sein und offen bleiben für den Wunsch von Menschen, frei zu sein so wie wir das wollen: frei zu sein von Verfolgung, von Gewalt, von Tod. Wir wollen doch dieser ihrer Sehnsucht folgen und wir können dennoch in unserer Politik geerdet bleiben. Mit Verständnis für die Gründe, die Menschen haben, ihre Heimat zu verlassen. Mit Rücksicht, auch auf die Grenzen der Aufnahmefähigkeit unserer Gesellschaft. Aber vor allem mit Weitsicht bezüglich der Chancen von Zuwanderung. Wir müssen es sehen wollen. Und wir sehen all dies im Bewusstsein unserer gemeinsamen Verantwortung als Europäer. Wir wissen: Es wird nie möglich sein, genug zu tun. Aber wenn wir das uns Mögliche nicht tun, versagen wir nicht nur vor unserem Nächsten, sondern wir verlieren auch die Neigung zu uns selbst, unsere Selbstachtung. © 2015 Bundespräsidialamt, Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz, www.bundespraesident.de, 30.6.2014 45 50 55 60 65 70 Aufgaben 1. Beschreiben Sie, durch welche Maßnahmen die EU ihre Außengrenzen gegen unerwünschte Zuwanderung schützt und zu welchen Konsequenzen diese Schutzmaßnahmen führen. 2. Analysieren Sie die Rede von Bundespräsident Gauck zur Flüchtlingspolitik hinsichtlich der Frage „Tun wir wirklich schon alles, was wir tun sollten?“ (Z. 59). 3. Erörtern Sie kriteriengeleitet die Vorschläge des Bundespräsidenten. Berücksichtigen Sie die Kriterien „Effizienz“ und „Legitimität“. Erwartungshorizonte zu den Aufgaben 1 – 3 Mediencode: 72022-17 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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