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833.1 Die angebotsund nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik Ludwig Erhard (CDU), 1897 – 1977, Bundeswirtschaftsminister 1949 – 1963, Bundeskanzler 1963 – 1966 M2 Krise 1966/67: Ludwig Erhards prozyklische Wirtschaftspolitik Ausgerechnet als der „Vater des Wirtschaftswunders“, Ludwig Erhard Kanzler war, erlebte die Bundesrepublik ihre erste sogenannte Wirtschaftskrise. Die Steigerungsrate des Bruttosozialprodukts sank 1966 auf 2,8 Prozent. 1967 gab es erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte gar kein Wirtschaftswachstum, im Gegenteil: Das Bruttosozialprodukt fiel um 0,2 Prozent. Die Arbeitslosenquote stieg von 1966 0,7 Prozent auf 1967 2,2 Prozent. Die Ursachen dieser Krise […] lagen im Rückgang privater und öffentlicher Investitionen. […] Um die sich abzeichnende Inflationsgefahr abzuwehren, erhöhte die Bundesbank am 13. August 1965 den Diskontsatz1 von 3,5 Prozent auf vier Prozent und am 27. Mai 1966 auf fünf Prozent. Diese Entscheidung verteuerte Kredite und verringerte die ohnehin geringe Neigung zu Investitionen […]. Um die Finanzierungslücken des Bundeshaushalts zu schließen, verabschiedete das Bundeskabinett am 29. Oktober 1965 ein drastisches Sparprogramm. Die Regierung verfolgte also eine prozyklische, die Wirtschaftskrise verschärfende Politik. […] Bundeskanzler Erhard lehnte es nach wie vor ab, lenkend in den Wirtschaftsprozess einzugreifen. Er beschränkte sich auf Appelle an Produzenten, Konsumenten und Lohnempfänger, in ihren Forderungen und Ansprüchen Maß zu halten und mehr zu arbeiten. Peter Borowsky, Die Konjunkturund Haushaltskrise, Informationen zur politischen Bildung, Heft 258, Bonn 1998, S. 9 f. 1 Zinssatz, zu dem eine Bank Wechsel (Wertpapier, das die Anweisung enthält, eine bestimmte Geldsumme zu einem festgelegten Zeitpunkt zu zahlen) an eine Zentralbank (damals die Bundesbank) verkaufen kann. 20 25 5 10 15 Karl Schiller (SPD), 1911 – 1994, gilt als der Initiator des Stabilitäts und Wachstumsgesetzes. Von 1966 – 1972 war er Bundeswirtschaftsminister. M3 Antizyklische Wirtschaftspolitik: Interview des Spiegels im Jahre 1967 mit dem neuen Wirtschaftsminister Karl Schiller SPIEGEL: Herr Minister Schiller, das Münchner Ifo-Institut erklärte kürzlich, die deutsche Wirtschaft befinde sich, wie Ende der zwanziger Jahre, „in einem kumulativen Prozess nach unten“. […] SCHILLER: Ich […] möchte […] sagen, es besteht die Gefahr, dass die Bundesrepublik Deutschland im kommenden Frühjahr, in der Talsohle der Konjunktur, in einen sich selbst nährenden Schrumpfungsprozess hineingerät, wenn nicht vorher die Weichen gestellt werden. […] (Sie) halten […] es nicht für ausreichend, dass die Bundesbank den Diskontsatz jetzt von fünf auf 4,5 Prozent gesenkt hat. Sie wollen ferner über einen Eventualhaushalt zusätzliche Staatsaufträge in der Größenordnung bis zu 2,5 Milliarden Mark in die Wirtschaft pumpen. […] Das ist erst mal eine Vorsichtsmaßnahme, und zwar aus verschiedenen Gründen: Es könnte durchaus sein, dass die von der Bundesbank beschlossene Diskontsenkung um ein halbes Prozent die Unternehmer dennoch nicht zu größeren realen Investitionen veranlasst, sondern lediglich dazu, ihre Bilanzen, ihre Unternehmensdispositionen zu konsolidieren. […] Wie soll dieser Eventualhaushalt aussehen? Er soll einen Schub bringen, ein Paket zusätzlicher Investitionen. Damit wollen wir den Unternehmern zeigen, dass wir, wenn es anders nicht geht, bereit sind, zusätzliche Ausgaben zu tätigen. In welchen Bereichen, das ist bisher noch offen. Ich denke da an Bahn, Post und Straßenbau, an die Wiederaufnahme der Bautätigkeit bei den Stabilitätsruinen, zum Beispiel bei Universitätsbauten. Karl Schiller im Interview mit Erich Böhme und Klaus Kröge, Wir sind zum Erfolg verurteilt, DER SPIEGEL, 3/1967, S. 29 f. Hinweis: Die Rechtschreibung wurde vom Bearbeiter angepasst. 25 30 35 40 5 10 15 20 Diskontsatz Der Diskontsatz steuert die Liquidität (Grad der Zahlungsfähigkeit) der Banken. Je höher ein Diskontsatz ist, desto schwerer fällt es den Banken, die Wirtschaft mit (billigen) Krediten zu versorgen. Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc h r V er la gs | |
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