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Grundlagen: Eurosystem und Verschuldungskrise 115 Italien sich günstiger am Kapitalmarkt refinanzieren als danach. In keinem einzigen Fall haben die Rettungsschirme bisher wie eine Brandmauer gewirkt. Der Idee nach hätte europäisches Geld für Spaniens Banken die Krise entschärfen sollen. Wenn das Geld für die Banken von außen kommt, ist der Teufelskreis durchbrochen, der darin besteht, dass marode Banken Geld vom klammen Staat brauchen, dessen Geldnot wiederum die Kurse seiner bei den Banken liegenden Anleihen nach unten treibt. Warum klappt es einfach nicht? Es gibt zwei wichtige Gründe: Zum einen konnte jeder Investmentstratege durch Leerverkauf von Anleihen [Wetten auf den Absturz] des nächsten Rettungskandidaten darauf spekulieren, dass es wieder so kommen würde wie bei den Rettungsaktionen zuvor. Leerverkauf bedeutet, man leiht sich Anleihen und verkauft sie in der Absicht, sie später billiger zurückzukaufen. Die Märkte sind eng. Schon begrenzte Verkaufsaufträge treiben die Kurse. Wenn eine solche Spekulation einsetzt, erfüllt sie sich selbst. Die Anleihekurse fallen. Anleger, die noch in italienischen Anleihen investiert sind, werden nervös und verkaufen. Die Kurse fallen weiter. Wer darauf spekuliert hat, verdient. Dass die EZB nicht willens war, den Spekulanten durch massive Käufe von Anleihen große Verluste zu bescheren, war bekannt. Sie hielt den Druck von den Anleihemärkten auf die Regierungen für etwas Positives. Selbst wenn die EZB gekauft hat, dann nur so viel, um die Abwärtsbewegung der Kurse abzumildern. Der zweite Grund, warum die Aussicht auf Hilfen aus dem ESM im Fall Spanien so verheerend auf die Märkte wirkte, ist sein vorrangiger Status als Kreditgeber. Spanien als Land, nicht nur die Regierung, ist zu hoch im Ausland verschuldet. Ein neuer Kredit ändert daran nichts. Er schiebt nur den Tag der Wahrheit hinaus und verlagert die Risiken – hin zum Steuerzahler und weg von den Finanzinstituten, welche die Chance zum Ausstieg nutzen. […] Die Konkurswahrscheinlichkeit blieb zwar gleich – aber das Risiko ging auf die europäischen Steuerzahler über. Als Bundestag und Bundesrat Ende Juni 2012 zusammenkamen, um den neuen europäischen Rettungsfonds ESM und den Schuldentilgungspakt zu beschließen, da hatten sich die Befürchtungen der Kritiker schon bewahrheitet. Während die Abgeordneten noch über den ursprünglichen ESM-Vertrag abstimmten, hatten Angela Merkel und die anderen Regierungschefs in der Nacht zuvor in Brüssel dieser Institution bereits eine neue Qualität gegeben. Anders als ursprünglich vorgesehen, (hat) der ESM die Kompetenz bekommen, direkt die italienischen oder spanischen Banken zu sanieren, ohne dass das Geld über den spanischen oder italienischen Haushalt geleitet würde [s. Grafik ESM]. Euro-Bonds sind harmlos dagegen [s. dazu Informationen auf den nächsten Seiten]. Bei Euro-Bonds haften alle beteiligten Länder gemeinsam für die Schuldenaufnahme etwa des italienischen Staats. Der italienische Staat spart dadurch viel Geld aufgrund einer niedrigeren Zinsbelastung. Er bleibt aber für den Schuldendienst verantwortlich und die Schuld wird ihm zugerechnet. Ganz anders bei den ESM-Hilfen für Banken, die – wie man in Spanien schon gesehen hat – leicht in die dreistelligen Milliardenbeträge gehen können. Weil sie nicht über den Staat geleitet werden, wird die Schuld nicht dem Staat zugerechnet, dessen Banken saniert werden. Es sind allein die Banken, die über Dividenden, Schuldzinsen oder Gebühren für den ESM die Rückzahlung der Mittel an die Staatengemeinschaft stemmen sollen. […] Die Staaten müssen also im Endeffekt Hunderte Milliarden Euro an Kredit aufnehmen, um über den ESM Lasten zu tragen, die bisher Lasten der Staaten waren. Das ist Schuldenvergemeinschaftung, wie sie im Buche steht. (Norbert Häring: Stimmt es, dass …?, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2012, S. 115 f., 128 f.) 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C. C. Bu ch ne r V er la gs | |
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