Volltext anzeigen | |
Oder verfolgt man wirklich und ernsthat die Absicht, dass sie späterhin alles Geschlechtliche als etwas Niedriges und Verabscheuenswertes beurteilen mögen, von dem ihre Eltern und Erzieher sie so lange als möglich fernhalten wollten? Ich glaube nicht, dass nur ein einziger Grund vorliegt, um Kindern die Auk lärung, nach der ihre Wissbegierde verlangt, zu verweigern. Freilich, wenn es die Absicht der Erzieher ist, die Fähigkeit der Kinder zum selbstständigen Denken möglichst frühzeitig zugunsten der so hochgeschätzten „Bravheit“ zu ersticken, so kann dies nicht besser als durch Irreführung auf sexuellem und durch Einschüchterung auf religiösem Gebiete versucht werden. Die stärkeren Naturen widerstehen allerdings diesen Beeinfl ussungen und werden zu Rebellen gegen die elterliche und später gegen jede andere Autorität. Erhalten die Kinder jene Auk lärungen nicht, um die sie sich an Ältere gewendet haben, so quälen sie sich im Geheimen mit dem Problem weiter und bringen Lösungsversuche zustande, in denen das geahnte Richtige auf die merkwürdigste Weise mit grotesk Unrichtigem vermengt ist, oder sie fl üstern einander Mitteilungen zu, in welchen zufolge des Schuldbewusstseins der jugendlichen Forscher dem Sexualleben das Gepräge des Grässlichen und Ekelhaften aufgedrückt wird. 1 Arbeite am Text heraus, warum Freud zufolge die Eltern ihren Kindern die Aufklärung verweigern. 2 Stelle dar, welche Auswirkungen sich für die Jugendlichen aus einer solchen Verweigerung ergeben. 3 Untersuche, inwiefern sich die von Freud angeführten Betrachtungen im Gespräch zwischen Moritz und Melchior (Erster Akt, Zweite Szene, S. 136) und dem zwischen Wendla und ihrer Mutter (Zweiter Akt, Zweite Szene, S.141) widerspiegeln. 15 20 25 Sigmund Freud (1856 – 1939): Der österreichische Arzt und Psychologe Sigmund Freud entwickelte im Laufe seiner Arbeit verschiedene Theorien zu den Ursachen psychischer Probleme und zur Beschaf enheit der menschlichen Psyche. Zu seinen bekanntesten Theorien gehört die Vorstellung, dass die Seele eines Menschen in drei Teile geteilt sei: das Es, das Ich und das Über-Ich. Das Es symbolisiert dabei das „Lustprinzip“ und die menschlichen Triebe. Den krassen Gegensatz dazu bildet das Über-Ich: Freud verstand darunter eine Art Kontroll instanz, die das Es in Schach hält. Es besteht aus anerzogenen Richtlinien, moralischen Wertvorstellungen und dem Gewissen. Zwischen den beiden gegensätzlichen Teilen der Seele steht das Ich, das ständig zwischen Es und Über-Ich vermitteln muss. Das Ich ist unsere bewusste Persönlichkeit, die nachdenkt, fühlt und sich erinnert. Freuds Idee war, dass es ständig zu Konfl ikten zwischen diesen drei Teilen der Psyche kommt und dass sich die meisten psychischen Probleme dadurch erklären lassen. Auf ällig ist, dass Freud die meisten dieser Konfl ikte auf die menschliche Sexualität bezog. 145Eine Dramenszene analysieren N u r zu P rü fz w e c k e n E ig n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
« | » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |