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Mark ist ergrif en. Eine halbwegs gesunde Natur lässt sich zu so etwas nicht herbei. Wir sind alle keine Heiligen; jeder von uns irrt vom schnurgeraden Pfad ab. Seine Schrit hingegen vertritt das Prinzip. Seine Schrit entspricht keinem zufälligen gelegentlichen Fehltritt; sie dokumentiert mit schaudererregender Deutlichkeit den aufrichtig gehegten Vorsatz, jene natürliche Veranlagung, jenen Hang zum Unmoralischen, weil es das Unmoralische ist. Seine Schrit manifestiert jene exzeptionelle geistige Korruption, die wir Juristen mit dem Ausdruck „moralischer Irrsinn“ bezeichnen. – Ob sich gegen seinen Zustand etwas ausrichten lässt, vermag ich nicht zu sagen. Wenn wir uns einen Hof nungsschimmer bewahren wollen, und in erster Linie unser fl eckenloses Gewissen als die Eltern des Betref enden, so ist es Zeit für uns, mit Entschiedenheit und mit allem Ernste ans Werk zu gehen. – Lass uns nicht länger streiten, Fanny! Ich fühle, wie schwer es dir wird. Ich weiß, dass du ihn vergötterst, weil er so ganz deinem genialischen Naturell entspricht. Sei stärker als du! Zeig dich deinem Sohne gegenüber endlich einmal selbstlos! Frau Gabor Hilf mir Gott, wie lässt sich dagegen auk ommen! – Man muss ein Mann sein, um so sprechen zu können! Man muss ein Mann sein, um sich so vom toten Buchstaben verblenden lassen zu können! Man muss ein Mann sein, um so blind das in die Augen Springende nicht zu sehn! – Ich habe gewissenhat und besonnen an Melchior gehandelt vom ersten Tag an, da ich ihn für die Eindrücke seiner Umgebung empfänglich fand. Sind wir denn für den Zufall verantwortlich? Dir kann morgen ein Dachziegel auf den Kopf fallen, und dann kommt dein Freund – dein Vater, und statt deine Wunde zu pfl egen, setzt er den Fuß auf dich! – Ich lasse mein Kind nicht vor meinen Augen hinmorden. Dafür bin ich seine Mutter. – Es ist unfassbar! Es ist gar nicht zu glauben. Was schreibt er denn in aller Welt! Ist‘s denn nicht der eklatanteste Beweis für seine Harmlosigkeit, für seine Dummheit, für seine kindliche Unberührtheit, dass er so etwas schreiben kann! – Man muss keine Ahnung von Menschenkenntnis besitzen – man muss ein vollständig entseelter Bürokrat oder ganz nur Beschränktheit sein, um hier moralische Korruption zu wittern! – – Sag, was du willst. Wenn du Melchior in die Korrektionsanstalt bringst, dann sind wir geschieden! Und dann lass mich sehen, ob ich nicht irgendwo in der Welt Hilfe und Mittel fi nde, mein Kind seinem Untergang zu entreißen. […] Herr Gabor Er hat sich vergangen! Frau Gabor Er hat sich nicht vergangen! Herr Gabor Er hat sich vergangen! – – – Ich hätte alles darum gegeben, es deiner grenzenlosen Liebe ersparen zu dürfen. – – Heute Morgen kommt eine Frau zu 40 45 50 55 60 65 70 75 Traute Hoess (Frau Gabor) und Gerd Kunath (Herr Gabor) in der Inszenierung im BERLINER ENSEMBLE (2008) 151Eine Dramenszene analysieren N r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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