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1.6 Eine Theaterkritik analysieren und schreiben Peter Hans Göpfert Hans Otto Theater Potsdam: „Frühlings Erwachen“ (2014) Auszug Die Urauf ührung von „Frühlings Erwachen“ inszenierte Max Reinhardt 1906 anderthalb Jahrzehnte nach der Entstehung. Das Stück galt zunächst als Pornografi e, zwanzig Jahre später dann als Auk lärungsdrama, was der Autor sehr albern fand. Und heute wird es auch niemanden mehr auk lären. In Potsdam spielt jetzt An dreas Rehschuh eine Fassung von Nuran David Calis, den wir als Dramatiker und Regisseur kennen. Dabei hat man ständig das Gefühl, hier würden die vertrauten Figuren Wedekinds in ein ganz anderes Stück (und ich fürchte: das falsche Stück) geschickt. Es regiert der Aberglaube, die Vorlage würde besser und hochaktuell, wenn die Heranwachsenden jetzt alles krass und geil fi nden, wenn sie möglichst ot das F-Wort gebrauchen, gelegentlich einen Joint rauchen, Selfi es knipsen und wenn Mutti sich auf dem Smartphone meldet. Natürlich sind die Pubertätsnöte der jungen Menschen bei Wedekind, die sexuelle Ahnungslosigkeit, die allgegenwärtige Moral und Scheinmoral nicht mehr die Probleme heutiger Jugendlicher. Rehschuh meint nun gleich, auf die Erwachsenen, deren eigene Ahnungslosigkeit, Schamhat igkeit und Strenge das Verhalten der Kinder bestimmen, verzichten zu können. Die satirischen Karikaturen des Lehrerkollegiums sind einfach gestrichen. Eltern kommen nur in einer wichtigtuerischen Überkoppelung von Video und Livespiel hinter einer Projektionswand ins Spiel. Dieses Mittel scheint nur um des Ef ektes willen gemacht. Wie überhaupt die Regie sich weniger um Seelenerforschung und die Sprachlosigkeit der Figuren kümmert und lieber die Spieler in einen leeren Aktionismus schickt. Vorneweg müssen sie in bunten Klamotten wie Automatenfi guren zappeln und gestikulieren. Statt die Möglichkeiten der Darsteller behutsam zu entwickeln, schielt die Regie eher auf schnelle Wirkung. Das gelingt in einer Ensembleszene, in der sich Frust, Verzweifl ung, auch schlechtes Gewissen der Schüler nach dem Selbstmord ihres Kameraden entladen, der dem Leistungsdruck der Schule nicht standgehalten hat. Insgesamt fi ndet diese Auf ührung kaum den richtigen Ton. Sie behauptet eine eigene Aktualität. Aber sie kann sie nicht beweisen. Und sie berührt kaum einmal. Die Regie lässt am Ende ausgerechnet den toten Moritz per Video seinen Freund Melchior Lebenszuversicht lehren. Bei Wedekind zieht der berühmte „vermummte Herr“ den Melchior vom toten Freund und vom Friedhof weg. Nicht diese Rolle, die Wedekind selber gespielt hat, sondern das fi nale Filmchen jetzt ist der eigentliche Kitsch. 1 Analysiere den Aufbau und die Argumentationskette der Kritik. 2 Schaut euch eine Szene einer Inszenierung des Stückes an und verfasst selbst eine Kritik, in der ihr euch mit der Umsetzung (Bühnenbild, schauspielerischer Leistung …) auseinandersetzt. 5 10 15 20 25 30 155Eine Dramenszene analysieren N u r zu P rü fz w e c k e n E g e tu m d s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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