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115Reformation und Bauernkrieg lung eines Predigers. Die Verehrung Marias und der Heiligen wurde intensiver, ebenso der Glaube an die Wunderkraft der Reliquien – der Knochen, der Kleider und der Asche verstorbener Heiliger. Gleichermaßen wuchs das Vertrauen in die Wunderkraft von Heiligenbildern. Von den Heiligen versprach man sich Schutz und Beistand, auch Wunder in persönlicher Not. Zahlreiche Texte und Bilder aus der Zeit um 1500 zeugen bis heute von der tiefen Angst vor dem Tod und dem Jüngsten Gericht. Daraus vor allem ist die tiefe Frömmigkeit zu erklären, der Wunsch, zu büßen und sich von Schuld zu befreien. Jedoch fand diese Frömmigkeit wenig kirchliche Unterstützung, im Gegenteil. Gerade die Frommen empörten sich über die Mängel der Kirche. Deren Erscheinungsbild passte immer weniger zu den gestiegenen Ansprüchen der Gläubigen. Diese Spannung erzeugte die Sprengkraft, die zur Spaltung der abendländischen Kirche führte. Viele Dorfpfarrer hatten keine Ausbildung, einzelne kannten nicht einmal die Zehn Gebote. Ihre Hauptsorge galt ihren Einkünften sowie den Abgaben und Diensten der Bauern. Zum Ärgernis wurden Klöster, die nicht mehr dem religiösen Leben dienten, sondern nur noch dem Wohlleben der Mönche und Nonnen. Die Bischöfe im Reich verstanden sich nicht als Seelsorger, sondern als weltliche Herrscher, die ihr geistliches Fürstentum regierten und daraus hohe Einkünfte bezogen. Dem Papst und der Kurie, den Kirchenbehörden in Rom, warfen Kritiker vor, die kirchlichen Abgaben aus dem Reich für Prachtbauten und Luxus zu verprassen. Die evangelische Lehre Obwohl er als Theologe rasch Karriere gemacht hatte, war Luther in seinem religiösen Empfi nden unsicher. Wie konnte er als sündhafter Mensch das Heil erlangen? Gute Werke wie das Stiften von Messen, Wallfahrten oder der Erwerb von Ablassbriefen schienen ihm nicht zu genügen, ebenso nicht ein entsagungsvolles Mönchsleben. Luther suchte die Antwort in der Bibel. Die richtungweisende Aussage fand er schließ lich im ersten Römerbrief des Apostels Paulus: „Der aus dem Glauben Gerechte wird leben.“ Dies deutete Luther so, dass der Mensch nur durch den Glauben an Gott das Seelenheil erlangen könne, nicht durch fromme Werke. Der Mensch konnte mithin nicht aus eigener Kraft selig werden. Er musste auf die Gnade Gottes vertrauen. Luther formulierte seine Lehren seit 1518 in einer Serie von Druckschriften. Zwei Grundsätze waren dabei mit der Kirche nicht mehr vereinbar: die ausschließliche Orientierung an der Bibel und das alleinige Vertrauen auf den gnädigen Gott. Evangelische Theologen fassten diese Grundsätze in die Formeln sola scriptura („allein die Schrift“), sola fi des („allein der Glaube“) und sola gratia („allein die Gnade“). Die Kirche vertrat die gegenteiligen Prinzipien. Neben der Bibel sollte die kirchliche Tradition gelten, und für das Seelenheil der Menschen blieben fromme Werke unverzichtbar. Luther beließ, weil er die kirchliche Tradition bestritt, von den sieben Sakramenten nur noch zwei: die Taufe und das Abendmahl, die er unmittelbar aus der Bibel begründen konnte. Das Abendmahl wurde den Gläubigen nun in Gestalt von Brot und Wein, nicht mehr allein in Gestalt des Brotes gereicht. Die neue Form machte die Lehre Luthers attraktiv, ebenso der Gottesdienst in deutscher statt in lateinischer Sprache. i „On Aplas von Rom kan man wol selig werden […].“ Titelholzschnitt (20 x 15 cm) einer anonymen Flugschrift, Augsburg 1520. Im Vordergrund ein mit Geld beladener Tisch, an dem Ablasszettel verkauft werden. Links verliest ein Mönch den Text einer päpstlichen Ablassbulle (Schriftstück mit fünf Siegeln). Unmittelbar unter dem Kreuz eine Geldtruhe. Im Hintergrund das Papstwappen (links) und das Wappen der Medici für Papst Leo X. Rechts ein Bauer mit Dreschfl egel, der gegen den Ablasshandel einschreitet. Lesetipps: p Klaus Pfi tzer, Reformation, Humanismus, Renaissance, Stuttgart 2015 p Thomas Kaufmann, Martin Luther, München 32015 Filmtipps: p Luther; Regie: Eric Till, 2003 p Luther – Kampf dem Teufel; Regie: Günther Klein, 2007 Internettipp: Zu Luther und zur Reformation siehe Code 4663-09 Nu r z ur P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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