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65Die mittelalterliche Feudalgesellschaft Die Munt-Ehe Grundsätzlich verlangten in der männlichen Vorstellung Schwäche und Anfälligkeit der Frau nach Schutz und Aufsicht. So wurde das Leben der Frauen weitgehend fremdbestimmt. Das Mädchen stand zunächst unter der Rechtsgewalt, dem Schutz und der Vormundschaft des Vaters („Munt“) oder – nach dessen Tod – eines anderen männlichen Verwandten. Es sollte als Jungfrau in die Ehe gehen und wurde bei der Heirat vom Brautvater in die Munt des Mannes übergeben. Diese sogenannte Munt-Ehe ging aus einem Vertrag beider Sippen hervor, als rechtlich Handelnde traten im Hochmittelalter der Brautvater und der Bräutigam in den Vordergrund. Die Braut war keine Vertragspartnerin, sollte aber ihr Einverständnis kundtun. Auf die gegenseitige Zustimmung beider Partner legte die Kirche großen Wert. Sie erklärte Anfang des 13. Jahrhunderts die Ehe zum Sakrament und damit als unaufl öslich. Die Forderung nach gegenseitiger Zustimmung wurde keineswegs immer erfüllt; vor allem adlige Eheschließungen blieben oft dem Vorrang der Familienpolitik unterworfen. Im Rahmen seiner Munt konnte der Ehemann rechtsbedeutsame Entscheidungen für seine Frau treffen; er vertrat sie auch vor Gericht. Sie war ihm wie die Kinder zum Gehorsam verpfl ichtet. Der Mann konnte sie züchtigen oder einsperren und bei Verletzung der ehelichen Treue verjagen, im Extremfall töten. Dem Tötungsrecht des Mannes trat die Kirche schon im frühen Mittelalter nachdrücklich entgegen. Rechtsgrundlagen wie die Munt spiegeln allerdings die Lebenswirklichkeit nur bedingt wider. Die eheliche Überlebensgemeinschaft war vor allem auf dem Land existenziell auf die Zusammenarbeit von Mann und Frau angewiesen und diese prägte den ehelichen Alltag; das Ehepaar war zugleich Arbeitspaar. Zur Lebenswirklichkeit der Frauen zählten die zahlreichen Geburten sowie der Verlust der meisten Kinder durch hohe Säuglingsund Kindersterblichkeit. Nicht zuletzt weil Kinder zur Existenzsicherung im Alter beitrugen, war die Frau als Gebärerin wichtig und geachtet. Unterschiedliche Lebensformen von Frauen Die Lebensbedingungen der Frau waren regional und ständisch sehr unterschiedlich. Mönche und Nonnen lebten ehelos. Angesichts der auf Paulus und die Kirchenväter zurückgehenden Abwertung der Sexualität galten Jungfräulichkeit oder Witwentum als bevorzugte Lebensweisen. Während Unfreie die Erlaubnis ihres Grundherrn zur Heirat einholen mussten, konnten Kauffrauen und Händlerinnen in der Stadt des späten Mittelalters sogar eigenständige Rechtsgeschäfte abschließen, Äbtissinnen politische Macht ausüben, ebenso einzelne Fürstinnen, die aber als Ausnahmegestalten hervortraten. Witwen hatten, wenn sie nicht mittellos dastanden, größere Freiräume als verheiratete Frauen. Die einfachen Leute lebten vermutlich zumeist im Konkubinat, also einer Verbindung ohne förmliche Eheschließung. Es gab auch die häusliche Gemeinschaft eines Grundherrn mit einer Unfreien (Kebs-Ehe) und natürlich heimlich Liebende. i Tätigkeiten von Frauen. Illustrationen aus dem Hausbuch der italienischen Familie Cerruti, 14. Jh. Nu r z ur P rü fzw ec ke n Ei ge tu m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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