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71Herrschaftsformen und ihr Wandel i Die „Zweischwerterlehre“. Darstellung aus dem Dresdener Sachsenspiegel um 1350, (Ausschnitt). Christus verleiht Kaiser und Papst gleichberechtigt die Schwerter der geistlichen und weltlichen Macht. Gregor VII., eigentlich Hildebrand von Soana (um 1020 1085): Mönch oder Kanoniker, wurde 1073 zum Papst gewählt. Durch seine Rolle im Investiturstreit ist er einer der bedeutendsten und umstrittensten Päpste überhaupt. Heinrich IV. (1050 1106): deutscher König ab 1056 unter der Vormundschaft seiner Mutter Agnes aus dem Haus der Salier, ab 1084 Kaiser. 1105 musste er auf Druck seines Sohnes Heinrich V. abdanken. Investitur (von lat. investire: bekleiden): die Einsetzung in ein Amt durch symbolische Einkleidung oder Übergabe von Gegenständen, etwa bei der Bischofsinvestitur durch die Übergabe von Ring und Stab oder Erben verwendet wurden. Vor allem hatte der Herrscher nach dem Tod eines Bischofs oder Abtes von Neuem die Möglichkeit, dessen Stelle wieder durch einen Gefolgsmann seines Vertrauens zu besetzen. Das Reichskirchensystem konnte vom König allerdings nur so lange erfolgreich praktiziert werden, als sein Recht, kirchliche Würdenträger selbst zu ernennen, nicht infrage gestellt war. Zwei Versionen der „Zweischwerterlehre“ Seit der Kaiserkrönung Ottos I. 962 waren die deutschen Könige und das Papsttum in besonders enger Weise verbunden. Zur Zeit der sächsischen Herrscher (919 1024) ging man davon aus, dass sowohl der Papst als auch der Kaiser von Gott in ihre Ämter eingesetzt seien, jedoch der Kaiser als Schirmherr der Kirche den Vorrang genieße. Die in der „Zweischwerterlehre“ überlieferte Vorstellung, dass Gott den beiden höchsten und gleichberechtigten Führern der Chris tenheit jeweils unmittelbar ein Schwert, das geistliche bzw. weltliche, verliehen habe, erfuhr eine kirchliche Umdeutung. Nach dieser hatte der Papst sowohl das weltliche als auch das geistliche Schwert erhalten. Das weltliche wurde an den Kaiser bei dessen Krönung weitergereicht, wodurch dieser sich der päpstlichen Gewalt unterstellte – eine Interpretation, die kein Kaiser dulden wollte. Der Streit um das Verhältnis von kaiserlicher Gewalt (imperium) und geistlicher Gewalt des Paps tes (sacerdotium) begann im Zeitalter der Salier (1024 1125). 1059 billigte ein päpstliches Dekret dem Kaiser nur noch die Bestätigung einer Papstwahl zu. Der Konfl ikt eskalierte während der staufi schen Zeit (1138 1254) und wurde zeitweise sogar mit Waffen ausgetragen. Der Investiturstreit Die Auseinandersetzung verschärfte sich unter Papst Gregor VII., der von der Überzeugung erfüllt war, der Papst sei die oberste Instanz nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Welt. Der König konnte dem Papst diese höchste Autorität nicht zugestehen. Im Rahmen dieses Konfl iktes rückte allmählich die Frage in den Mittelpunkt, ob Laien überhaupt Päpste, Bischöfe und Äbte einsetzen dürften. Wie seine Vorgänger setzte auch Heinrich IV. (1050 1106) aus dem Königsgeschlecht der Salier Bischöfe ein und ab, nun auch gegen den Willen des Papstes. Der Papst verstand sich als Wortführer einer breiten klerikalen Reformbewegung des 11. Jahrhunderts, die vor allem von den Klöstern wie der Abtei von Cluny ausging. Sie wollte dem Einfl uss von Laien auf Kirche und Klöster Einhalt gebieten. Beim Kampf um die Freiheit der Kirche von jeglicher weltlichen Bevormundung wurde schließlich auch der gesalbte, von Gott eingesetzte König trotz seiner sakralen Stellung als Laie betrachtet, der kein Recht zur Investitur von Bischöfen und Äbten habe (u M2). Das traf den französischen und englischen König genauso wie den deutschen. Für diesen stand aber bei einer Infragestellung seines Einsetzungsrechts das mit dem Reichskirchensystem geschaffene Herrschaftsund Verwaltungssystem auf dem Spiel (u M3). Die hohen Geistlichen, die dem König ihre Macht verdankten, waren zunächst dessen Verbündete. Gregor VII. reagierte auf seine durch Heinrich IV. und die deutschen Bischöfe erklärte Absetzung, indem er den König bannte, also aus der Gemeinschaft der Gläubigen und damit von allen kirchlichen Handlungen ausschloss. Zugleich entband er die Untertanen von ihrem Lehnseid und verbot allen Christen, diesem König zu dienen. Es war ein für die Menschen des Abendlandes bis dahin unerhörter Vorgang. Lesetipp: Rudolf Schieffer, Papst Gregor VII. Kirchenreform und Investiturstreit, München 2010 Nu r z ur P rü fzw ec k n Ei ge n um d es C .C . B uc ne r V er la gs | |
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