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265Außenpolitik von Bismarck zu Wilhelm II. schutz. In Westafrika (Togo und Kamerun) wurde der Reichskommissar Gustav Nachtigal in diesem Sinne für die Gebiete weiterer Handelshäuser und Gesellschaften tätig. Es folgten Ostafrika (heute Tansania, Burundi und Ruanda) sowie einige Südsee inseln (u. a. „Deutsch-Samoa“). Zu diesem Zeitpunkt rückte auch bereits die günstig gelegene chinesische Bucht Jiaozhou (Kiautschou) in den Blick, die 1897 unter deutsche Herrschaft geriet (u M3). Unter Kaiser Wilhelm II. setzte eine grundsätzliche Umorientierung der deutschen Außenpolitik ein. Mit dem beeindruckenden Aufstieg des jungen Staates war auch das nationale Selbstbewusstsein gewachsen. Vielen Zeitgenossen genügte die von Bismarck geprägte defensive und hauptsächlich auf europäischen Ausgleich bedachte Kontinentalpolitik nicht mehr. Deutschland müsse seinen Anspruch als Weltmacht durchsetzen, der dem deutschen Großmachtstatus angemessen sei. 1897 brachte der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Bernhard von Bülow, diese von vagen Stimmungen und Interessen geprägte neue Weltpolitik in einer Reichstagsrede programmatisch auf den Punkt: „Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen einen Platz an der Sonne.“ Das Resultat war eine sprunghafte und aggressive deutsche Politik, die im Ausland als unberechenbar empfunden wurde. Nachdrücklicher im Sinne der über Europa hinausgreifenden Weltpolitik wirkte das wirtschaftliche und politische Engagement Deutschlands im Vorderen Orient (u M4). Das Osmanische Reich galt seit Ende des 19. Jahrhunderts als bedeutendstes außereuropäisches Einfl ussgebiet. Beim Bau einer Eisenbahn von Konstantinopel zum Persischen Golf (Bagdad-Bahn, 1899 1903) entstanden der deutschen Wirtschaft willkommene Expansionsfelder. Damit wuchs auch das Interesse Deutschlands an dem für die Verbindung zur Türkei wichtigen Balkan. Achtlos setzte sich die kaiserliche Außenpolitik aber lange darüber hinweg, dass Russland und England den wachsenden deutschen Einfl uss im Vorderen Orient als störend empfanden. Internationale Spannungen und Konfl iktherde zu Beginn des 20. Jahrhunderts Während der Argwohn gegen die deutsche Politik wuchs, bemühte sich England, an anderer Stelle Konfl ikte zu entschärfen, um sich ganz auf den neuen Konkurrenten zu konzentrieren. 1904 wurden die kolonialen Auseinandersetzungen zwischen Großbritannien und Frankreich durch die Entente cordiale beendet. Zuvor hatte der sogenannte „Scramble for Africa“ um die Gewinnung von Gebieten, die sich noch nicht in Kolonialbesitz befanden, beinahe zum Krieg geführt. Paris erkannte nun Ägypten als rein britisches Interessengebiet an; London war dafür bereit, den von Frankreich angestrebten verstärkten Einfl uss in Marokko zu billigen. Die Spannungen zwischen dem Deutschen Reich und den Westmächten Frankreich und England jedoch spitzten sich in den beiden Marokko-Krisen von 1905 und 1911 weiter zu. Als Frankreich nach der 1904 im Rahmen der Entente cordiale getroffenen Vereinbarung mit Großbritannien versuchte, das formal unabhängige Marokko ohne Rücksicht auf deutsche Ansprüche und Handelsinteressen zum französischen Protektorat zu machen, sah sich das Deutsche Reich zu einer Gegenoffensive veranlasst: Im März 1905 landete Kaiser Wilhelm II. in der marokkanischen Hafenstadt Tanger und gab dort eine Erklärung über die Souveränität Marokkos ab, um das deutsche Mitspracherecht zu demonstrieren. Zur Entschärfung der Krise wurde 1906 eine internationale Konferenz im spanischen Algeciras einberufen, von der sich das Deutsche Reich eine diplomatische Niederlage Frankreichs versprach. Entgegen seinen Erwartungen fand sich das Deutsche Reich dort jedoch isoliert, weil lediglich der Zweibundpartner ÖsterreichUngarn die deutsche Position unterstützte. Die „Algeciras-Akte“ garantierte zwar die Wilhelm II. (1859 1941): 1888 1918 König von Preußen und Deutscher Kaiser. Er setzte den Rücktritt Bismarcks durch. Seine Vorstellungen von Gottesgnadentum und Weltmacht sowie seine Einstellung zum Militär (Militarismus) prägten die „Wilhelminische Gesellschaft“. i Wilhelm II. in Uniform der Garde du Corps. Gemälde von Ludwig Noster, 1906. Scramble for Africa (engl.: „Wettlauf nach Afrika“): Damit wurde die Aufteilung der noch „freien“ Gebiete in Afrika, vorwiegend zwischen Frankreich und Großbritannien, ab den 1880er-Jahren bezeichnet. Entente cordiale (frz.): „herzliches Einvernehmen“ Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m de s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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