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133Kulturkontakt und Kulturkonfl ikt M1 Kulturbegegnung Der Schweizer Historiker Urs Bitterli unterscheidet verschiedene Formen der Kulturbegegnung in der Geschichte der europäischen Expansion nach Amerika, Afrika und Asien: Unter Kulturberührung verstehen wir das in seiner Dauer begrenzte erstmalige oder mit großen Unterbrüchen erfolgende Zusammentreffen einer kleinen Gruppe von Reisenden mit Vertretern einer geschlossenen archaischen Bevölkerungsgruppe, wie es besonders den Charakter der frühen Ent deckungsfahrten bestimmt. […] Solche Zusammentreffen hatten für beide Teile sowohl den Reiz wie die Bedrohlichkeit des Neuen und Überraschenden. […] Zum Kulturkontakt kam es in solchen Fällen, wenn die rückwärtigen Verbindungen zum Mutterland sich sichern und ausbauen ließen und sich andererseits aus der ersten Berührung ein dauerhaftes Verhältnis wechselseitiger Beziehungen zur Eingeborenenbevölkerung ergab, ohne dass Landnahme und Kolonisation von europäischer Seite beabsichtigt gewesen wären. […] Kulturberührung und Kulturkontakt blieben bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts die häufi gsten Formen der kulturellen Begegnung zwischen Zivilisierten und Eingeborenen in Übersee. Wenn diese Begegnung einen besonders aggressiven Charakter gewann und die Europäer sich entschlossen, ihre militärisch-technische Überlegenheit mehr oder weniger rücksichtslos so lange einzusetzen, bis die Eingeborenen entweder ausgerottet, in unwegsames Hinterland zurückgetrieben oder aber derart unterjocht waren, dass sie ihr kulturelles Eigenleben einem weite Daseinsbereiche erfassenden Abhängigkeitsverhältnis aufzuopfern hatten, wird man von einem Kulturzusammenstoß sprechen müssen. […] Im Unterschied zu den bereits beschriebenen Formen der kulturellen Begegnung setzen Akkulturation1 und vor allem Kulturverfl echtung ein länger dauerndes Zusammenleben und Zusammenwirken von Bevölkerungsgruppen verschiedener Kultur im selben geografi schen Raum voraus. Während in der Beziehung, die wir als Kulturkontakt bezeichnet haben, Aspekte des Handels oder der Mission in der Regel im Vordergrund stehen und die Permanenz des gegenseitigen Verhältnisses nicht so sehr durch Ansiedlung und Fortpfl anzung der einen Partnergruppe, als vielmehr durch die laufende Ablösung ihrer Vertreter durch Neuankömmlinge gesichert wird, vollzieht sich besonders die Kulturverfl echtung vor dem Hintergrund einer intensiven gesellschaftlichen Durchdringung. Diese Durchdringung tritt dann an die Stelle des historisch häufi ger zu beobachtenden Kulturzusammenstoßes, wenn sich zwischen zwei oder mehreren Kulturen die zwingende Notwendigkeit zur existenzsichernden Zusammenarbeit und das Bewusstsein einer verpfl ichtenden Aufeinanderangewiesenheit ergibt. Urs Bitterli, Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“. Grundzüge einer Geistes und Kulturgeschichte der europäisch-übersee ischen Begegnung, München 21991, S. 81, 95, 130 und 161 1. Beschreiben Sie die von Urs Bitterli genannten Formen der Kulturbegegnung. Notieren Sie dazu die jeweiligen Charakteristika in einem Schaubild. 2. Überprüfen Sie anhand eines selbst gewählten historischen Beispiels, inwieweit sich die von Bitterli genannten Formen der Kulturbegegnung anwenden lassen. 3. Beurteilen Sie die Tragfähigkeit des Modells von Bitterli. M2 „Kampf der Kulturen“ In seinem 1996 erschienenen Buch „The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“ äußert sich der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Phillips Huntington über die Entwicklung der Kulturen: Das zentrale Thema dieses Buches lautet: Kultur und die Identität von Kulturen […] prägen heute, in der Welt nach dem Kalten Krieg, die Muster von Kohärenz1, Desintegration und Konfl ikt. Die fünf Teile dieses Buches entwickeln diese Hauptaussage weiter. Teil Eins. Zum ersten Mal in der Geschichte ist globale Politik sowohl multipolar als auch multikulturell; Verwestlichung ist etwas anderes als Moder nisierung; und wirtschaftliche und soziale Modernisierung erzeugt weder eine universale Kultur irgendeiner Art noch die Verwestlichung nichtwestlicher Gesellschaften. Teil Zwei. Das Machtgleichgewicht zwischen den Kulturkreisen verschiebt sich: Der Westen verliert an relativem Einfl uss; asiatische Kulturen verstärken ihre wirtschaftliche, militärische und politische Macht; der Islam erlebt eine Bevölkerungsexplosion mit destabilisierenden Folgen für muslimische Länder und ihre Nachbarn; und nichtwestliche Kulturen bekräftigen selbstbewusst den Wert ihrer eigenen Grundsätze. Teil Drei. Eine auf kulturellen Werten basierende Weltordnung ist im Entstehen begriffen: Gesellschaften, die durch kulturelle Affi nitäten2 verbunden sind, kooperieren miteinan 1 Kohärenz: Zusammenhang 2 Affi nität: hier Ähnlichkeit 5 10 15 20 25 30 35 40 45 5 10 15 20 1 Akkulturation: kultureller Anpassungsprozess Nu r z u Pr üf zw ec ke Ei ge nt um d es C .C .B u hn er V rla gs | |
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