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135 M3 Doch kein Kampf? Der deutsche Politikwissenschaftler Ulrich Menzel kritisiert Huntingtons Vorstellung vom „Kampf der Kulturen“: [Muss] das auch zwangsläufi g heißen, dass die schiere Existenz unterschiedlicher Kulturen die einzig relevante oder zumindest die dominante Konfl iktursache des 21. Jahrhunderts sein wird? […] Und selbst wenn es Kulturkonfl ikte gibt, was spricht dagegen, sie auf kooperative Weise lösen zu können? Ganz so wie die zweifellos immer vorhandenen unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen nicht zwangsläufi g immer zu militärischen Konfl ikten geführt haben, sondern durchaus konsensual gelöst werden können und vielfach auch gelöst wurden. […] Der gravierendste Einwand resultiert allerdings aus der Inkonsequenz, die in Huntingtons eigener Argumentation angelegt ist, und aus den normativen1 Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden. Auf der einen Seite wird die Einzigartigkeit der westlichen Kultur betont, die es zu bewahren und neu zu stärken gilt. Andererseits wird einem Kulturrelativismus2 und damit Einmischungsverbot gegenüber der übrigen Welt das Wort geredet. Dies übersieht aber zweierlei: Erstens ist die westliche Kultur keineswegs statisch, besteht nicht nur aus Elementen wie dem vormodernen Christentum, katholischer oder puritanischer Orthodoxie, Gegenreformation und Inquisition, sondern besteht auch aus Opposition und Gegenbewegungen wie Reformation, Humanismus, Aufklärung, Rationalismus, Säkularisierung und der Propagierung universalistischer Werte. Insofern ist der Westen zumindest beides, religiös und säkular3 […], wobei letzteres sicher die stärkere Komponente bildet. […] Alle Menschen sind in der westlichen Vorstellung nicht nur gleich, sie haben auch gleiche Rechte, und zwar nicht nur gleiche soziale und ökonomische, sondern auch gleiche Freiheitsrechte. Und das heißt zweitens, dass die Bekräftigung und Verfolgung westlicher Werte eben gerade die Einmischung weltweit, die universale Deklaration der Menschenrechte, die Charta der Vereinten Nationen, den Idealismus, die Vorstellung der one world, der global governance, das „Projekt Weltethos“ […] als paradigmatischen Gegenentwurf zu Huntington, die Ausweitung der westlichen Wertegemeinschaft verlangt. Geradezu grotesk wird die Argumentation Huntingtons, wenn er zwar das heutige Griechenland aus dem Westen ausgrenzen will, gleichzeitig aber das klassische, d. h. in erster Linie das griechische Erbe zu den Wurzeln der christlichen Kultur zählt, jedoch die orientalischen Wurzeln des Christentums unterschlägt bzw. gefl issentlich übersieht oder auch übersieht, dass die westliche Kultur sehr viel germanisches und keltisches und damit heidnisches, also keinesfalls aufklärerisches oder christ liches Kulturgut inkorporiert hat. Ulrich Menzel, Globalisierung versus Fragmentierung, Frankfurt am Main 1998, S. 87 90 1. Fassen Sie die wesentlichen Aspekte der Argumentation von Ulrich Menzel zusammen. 2. Vergleichen Sie die Vorstellungen von Kultur bei Menzel und Huntington (M2). Erläutern Sie die Unterschiede. 3. Entwickeln Sie eigene Defi nitionen von „Kulturkontakt“ und „Kulturkonfl ikt“. 5 10 15 20 1 normativ: maßgebend, als Leitsatz dienend 2 Kulturrelativismus: Diese Richtung betrachtet die Kulturen als ganzheitliche Systeme. Sie sind nicht miteinander zu vergleichen, sondern können nur in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext betrachtet werden. 3 säkular: weltlich 25 30 35 40 45 Kulturkontakt und Kulturkonfl ikt Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er l gs | |
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