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219Ansätze zur Lösung der Sozialen Frage wegung größere Wirkung. 1901 umfasste sie fast 140 Vereine mit verschiedenen Anliegen. Es gab Berufsvertretungen, Beratungsund Rechtsschutzvereine, Damenturnklubs, weibliche Wandergruppen sowie Vereine zur Sozialfürsorge für Frauen oder Vereine mit konfessionellem Charakter. Nur eine kleine Minderheit dieser Vereinigungen stellte politische Forderungen: Frauenwahlrecht, Frauenstudium und Legalisierung der Abtreibung. Der BDF diskutierte zwar Fragen des Arbeiterinnenschutzes, der Gewerbefreiheit oder des Wahlrechts. Der Schwerpunkt seines Engagements galt indessen der Bildungsförderung und der Ausarbeitung von familienrechtlichen und bildungspolitischen Peti tionen, die jedoch alle ohne Erfolg blieben. Zu den führenden Persönlichkeiten der bürgerlichen Frauenbewegung zählten Hedwig Dohm, die sich neben den Forderungen nach gleicher Ausbildung und weiblicher Erwerbstätigkeit für das Frauenwahlrecht aussprach, sowie Helene Lange, die als Vorsitzende des ADF und des BDF die Frauenbewegung für viele Jahre prägte. Die sozialistische Frauenbewegung Den Gegenpol zur bürgerlichen Frauenbewegung bildete die sozialistische Frauenbewegung, die seit 1889 von Clara Zetkin angeführt wurde. Die Organisation zählte um 1908 rund 30 000 Mitglieder. Sie verstand sich als Teil der sozialistischen Arbeiterbewegung, engagierte sich allerdings vorrangig für den Schutz der Arbeiterinnen, die Abschaffung der Kinderarbeit, gleiche Rechte und Löhne wie für Männer sowie die Aufklärung der Frauen über ihre „Klassenlage“. Clara Zetkin ging es um die vollständige politische Gleichberechtigung der Frauen im Rahmen einer groß angelegten Lösung der Sozialen Frage. Gemäß der sozialistischen Lehre, nach der die Ungleichheit vor allem zwischen den (Eigentums-)Klassen bestand, war die Gleichheit aller nur durch eine proletarische Revolution und die Abschaffung des Privateigentums zu erreichen. Der Einsatz für Reformen im bestehenden System galt als unzureichend. Im Unterschied zu den anderen politischen Parteien konnten in der SPD Frauen einzelne Ämter übernehmen; doch fanden sich auch hier die Männer kaum mit dem Emanzipationsgedanken ab. Initiativen im Bereich der christlichen Kirchen Die großen sozialen Probleme, die mit der Industrialisierung einhergingen, führten lange Zeit zu keinem Engagement der Amtskirchen. Zu dieser passiven Haltung trug ein konservatives Weltbild bei, das die Solidarität mit Sozialisten und Kommunisten ablehnte. Hinzu kam ein generelles Misstrauen gegenüber der Industrialisierung und den von ihr verursachten sozialen Veränderungen. So blieb sowohl in der katholischen wie in der evangelischen Kirche das Engagement auf die Initiative Einzelner beschränkt. Der evangelische Pastor Johann Hinrich Wichern gründete 1833 in Hamburg das „Rauhe Haus“, das sich um alleinstehende Jugendliche bemühte. Diese erhielten eine handwerkliche oder hauswirtschaftliche Ausbildung und sollten zu verantwortungsbewussten Menschen erzogen werden. Noch heute kümmert sich die Stiftung „Rauhes Haus“ um hilfsbedürftige Jugendliche. Für die Sozialarbeit in der evangelischen Kirche richtungweisend wurde die von Wichern 1848 angeregte „Innere Mission“, die zur Entstehung zahlreicher sozialer Einrichtungen der evangelischen Kirche (Krankenanstalten, Altersheime usw.) führte. Auf katholischer Seite engagierten sich besonders der Kölner Domvikar Adolph Kolping und der Mainzer Erzbischof Wilhelm von Ketteler, um die Lage der Arbeiter zu verbessern. Die von Kolping gegründeten katholischen Gesellenvereine unterstützten seit 1849 vor allem die wandernden Handwerksgesellen bei der Suche nach preiswerter Unterkunft und Betreuung. Das daraus hervorgegangene Kolpingwerk leistet noch Hedwig Dohm (1831 1919): Schriftstellerin und Frauenrechtlerin. Sie kämpfte für die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht. Helene Lange (1848 1930): Lehrerin und Frauenrechtlerin. Sie setzte sich vor allem für bessere Bildungsund Berufschancen der Frauen ein. 1890 gründete sie den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV). Clara Zetkin (1857 1933): Volksschullehrerin und sozialistische Politikerin. 1878 schloss sie sich den Sozialdemokraten an und wurde daraufhin aus dem Schuldienst entlassen; ab 1890 organisierte sie die sozialdemokratische Frauenbewegung. i Clara Zetkin. Foto von 1897, aufgenommen während des Internationalen Kongresses für gesetzlichen Arbeitsschutz in Zürich. Nu r z u Pr üf zw ck en Ei g nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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