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217Ansätze zur Lösung der Sozialen Frage tion von 1848/49 kam es zu größeren Zusammenschlüssen. So vereinigten sich im September 1848 mehr als 30 Arbeitervereine zur „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung“. Sie forderten die Gründung von Konsumgenossenschaften, Unterstützungskassen für den Krankheitsfall, ferner das allgemeine Wahlrecht und das Koalitionsrecht. Das Scheitern der Revolution von 1848/49 und die darauf folgende Phase reaktionärer Politik in vielen deutschen Staaten führte zu einem Verbot aller Arbeitervereine und ließ die Hoffnungen der Arbeiter auf eine Verbesserung ihrer Situation sinken. Erst die Entspannung der politischen Situation zu Beginn der 1860er-Jahre ließ die Bildung von Arbeiterparteien zu. 1863 gründete Ferdinand Lassalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV). Im Gegensatz zu Marx hielt er es für möglich, die Soziale Frage durch Reformen zu lösen und dabei die staatliche Grundordnung und das Privateigentum beizubehalten. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten jedoch die Arbeiter einen größeren Einfl uss auf die Politik gewinnen. Daher war eine zentrale Forderung Lassalles die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts, damit die Arbeiter ihre Interessen auch politisch vertreten konnten. 1869 gründeten Wilhelm Liebknecht und August Bebel in Eisenach eine zweite Arbeiterpartei: die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Anders als der ADAV setzte diese Partei auf den Marxismus und die Revolution als Mittel zur Überwindung der sozialen Probleme. Um die Kräfte zu bündeln, arbeiteten die SDAP und der Arbeiterverein Lassalles zusammen und vereinigten sich 1875 in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Das Gothaer Programm der Partei war zwar von marxistischen Ideen beeinfl usst, verzichtete aber auf die gewaltsame Revolution zur Durchsetzung einer sozialistischen Gesellschaft. Die Umgestaltung der Gesellschaft sollte auf friedlichem, gesetzlichem Wege erfolgen. Bei den Reichstagswahlen 1877 konnte die neue Partei erste Erfolge verbuchen: Sie erhielt 9,1 Prozent der Stimmen und konnte zwölf Abgeordnete in den Reichstag entsenden. Weite Kreise des Bürgertums empfanden die Sozialdemokratie als eine Bedrohung ihres Besitzstandes. Reichskanzler Otto von Bismarck versuchte daher, die Partei durch das „Sozialistengesetz“ (1878 1890) zu unterdrücken und mithilfe staatlicher Sozialgesetzgebung die Arbeiter für sich zu gewinnen. Damit scheiterte er jedoch. Als 1890 das „Sozialistengesetz“ aufgehoben wurde, gründete sich die Partei in Halle neu und nannte sich nun Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Zu den zentralen Forderungen der Partei gehörten die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, der AchtStunden-Tag, das Verbot der Kinderarbeit und das Koalitionsrecht. Obwohl die Sozialdemokratie im politischen System des Kaiserreiches auch nach der Aufhebung des „Sozialistengesetzes“ in eine Außenseiterrolle gedrängt wurde, wuchs ihre Anhängerschaft stetig. Bereits 1890 erhielt die Partei bei den Reichstagswahlen 20 Prozent der Stimmen und war mit 35 Abgeordneten im Parlament vertreten. 1912 wurde sie mit 34,8 Prozent der Stimmen und 110 Abgeordneten sogar die stärkste Fraktion im Reichstag und blieb dies auch bis zum Ende des Kaiserreiches. Die Gewerkschaften Mit den gleichen Schwierigkeiten wie die Arbeitervereine hatten die nach englischem Vorbild gegründeten Gewerkschaften zu kämpfen. Diese Vereinigungen der Arbeiter, die sich für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne – auch mithilfe von Streiks – einsetzten, entstanden in Deutschland seit 1848. Koali tionsverbote, die den Zusammenschluss von Arbeitern untersagten, sowie das Verbot von Streiks behinderten zunächst die gewerkschaftliche Tätigkeit. Erst seit den Sechzigerjahren konnten sich die Arbeitervereinigungen wirksam für die Interessen ihrer Mitglieder einsetzen. Jetzt wurde eine Vielzahl von Gewerkschaften gegründet, die sich teils eng Koalitionsrecht: erlaubt den Zusammenschluss zu Vereinen und Parteien Ferdinand Lassalle (1825 1864): Sohn eines jüdischen Kaufmanns aus Breslau; Philosoph, Journalist und Politiker Otto von Bismarck (1815 1898): von 1862 bis 1890 mit kurzer Unterbrechung preußischer Ministerpräsident; 1871 1890 deutscher Reichskanzler Literaturtipp: Eberhard Kolb, Bismarck, München 22013 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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