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311 Terror und Holocaust Terror und Holocaust Vorstufe zum Völkermord: das „Euthanasie“-Programm Nach den pseudobiologischen Lehren von „Rassenhygiene“ und „Erbgesundheit“, wie sie die Nationalsozialisten vertraten, galten alle „sozial oder rassisch Unerwünschten“ wie die Sinti und Roma und alle slawischen Völker, darunter vor allem Russen und Polen, die Zeugen Jehovas, Homosexuelle oder „Asoziale“ als „minderwertig“ und „lebensunwert“. Dazu zählten auch „erbkranke“, geistig und körperlich behinderte Menschen. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 ordnete die Zwangssterilisation von Menschen mit vermeintlich verändertem Erbgut an. Ab 1935 wurden schwangere Frauen, bei denen eine „Erbkrankheit“ diagnostiziert wurde, zur Abtreibung gezwungen. In den Monaten vor Kriegsbeginn wurden konkrete Vorbereitungen für den ersten systematischen Massenmord des NS-Regimes getroffen. Seit August 1939 mussten Hebammen und Ärzte den Gesundheitsämtern alle behinderten Neugeborenen und Kleinkinder melden. Diese Meldepfl icht war die Grundlage der im Herbst 1939 einsetzenden, verharmlosend als „Euthanasie“ bezeichneten Ermordung kranker Kinder in eigens eingerichteten „Kinderfachabteilungen“. Bis zum Kriegsende 1945 forderte die „Kindereuthanasie“ schätzungsweise zwischen 5 000 und 10 000 Opfer. Unter dem Deckmantel des Krieges wurde das „Euthanasie“-Programm auf Erwachsene ausgedehnt. Hitler ermächtigte den Leiter der Kanzlei des Führers, Philipp Bouhler, und seinen Begleitarzt Karl Brandt zunächst mündlich, später in einem Schreiben, „unheilbar Kranken“ den „Gnadentod“ zu gewähren. Tarngesellschaften organisierten die als „Aktion T4“ benannte „Vernichtung unwerten Lebens“. Ab 1940 wurden etwa 70 000 Menschen in sechs zu Tötungsanstalten umgerüsteten „Heilund Pfl egeanstalten“ mit dem Giftgas Kohlenmonoxid ermordet. Trotz aller Geheimhaltung und Verschleierungsversuche waren die Morde spätestens im Frühjahr 1941 in weiten Teilen des Reiches bekannt. In der Bevölkerung regte sich öffentlicher Protest, vor allem vonseiten der Angehörigen der Opfer und auch einiger Bischöfe, wie dem evangelischen Landesbischof Theophil Wurm oder dem Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen. Ende August 1941 ließ Hitler das „Euthanasie“-Programm offi ziell einstellen. Bald darauf begann der Krankenmord in den besetzten sowjetischen Gebieten durch Erschießung und den Einsatz von Gaswagen. Er wurde – in anderer Form und weniger auffällig – auch im Reich fortgesetzt. Viele tausend Kranke ließ man verhungern oder tötete sie durch überdosierte Medikamente. Insgesamt wird die Zahl der Opfer auf etwa 275 000 geschätzt. Die Methoden und das Personal der T4-Aktion kamen auch im Generalgouvernement zum Einsatz. Beginn der Massenmorde Nach der Ausgrenzung und Vertreibung der deutschen Juden begann mit dem Zweiten Weltkrieg die Vernichtung der europäischen Juden. Bereits im Herbst 1939 zeigte sich, welch neuartige Dimension der von Hitler vom Zaun gebrochene Krieg erreichen sollte, der im Osten als „Kampf um Lebensraum“ geführt wurde. Unter der Leitung des von Heinrich Himmler neu geschaffenen und von Reinhard Heydrich geführten Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) rückten eigens für den Angriff auf Polen aufgestellte Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD hinter der Wehrmacht vor, um Hitlers rassenideologisches Völkermordkonzept in die Tat umzusetzen. Ein Großteil des eroberten Landes sollte ins Deutsche Reich eingei Plakat, um 1937. p Erläutern Sie, wie das NSRegime hier versucht, die Akzeptanz in der Bevölkerung für die heuchlerisch als „Euthanasie“ bezeichneten Krankenmorde zu erhöhen. „Asoziale“: in der NS-Zeit als minderwertig geltende, „arbeitsscheue“ oder unangepasst lebende Menschen u. a. aus sozialen Unterschichten, wie Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Fürsorgeempfänger oder Alkoholiker „Euthanasie“: Sterbehilfe, abgeleitet von griech. „guter“ oder „leichter Tod“ „Aktion T4“: nach dem Verwaltungssitz der Vernichtungsaktion in der Tiergartenstraße 4 in Berlin bezeichneter Code Lesetipp Harald Welzer, Täter. Wie aus ganz nor malen Menschen Massenmörder werden, Frankfurt am Main 52011 32015_1_1_2015_Kap3_260-351.indd 311 01.04.15 11:00 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de C .C . B uc ne r V er la gs | |
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