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315 Terror und Holocaust M1 Die Entscheidung für die „Endlösung“ Die Frage, wann die Entscheidung gefallen ist, alle europäischen Juden zu ermorden, ist bis heute in der Forschung umstritten, weil es keinen schriftlichen Befehl dazu gibt. Adolf Hitler erklärt am 30. Januar 1939: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum innerund außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa. Zwei Jahre danach macht sich Joseph Goebbels Aufzeichnungen über eine Rede Hitlers vom 12. Dezember 1941 auf einer Tagung der Reichsund Gauleiter der NSDAP: Bezüglich der Judenfrage ist der Führer entschlossen, reinen Tisch zu machen. Er hat den Juden prophezeit, dass, wenn sie noch einmal einen Weltkrieg herbeiführen würden, sie dabei ihre Vernichtung erleben würden. Das ist keine Phrase gewesen. Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muss die notwendige Folge sein. Diese Frage ist ohne jede Sentimentalität zu betrachten. Wir sind nicht dazu da, Mitleid mit den Juden, sondern nur Mitleid mit unserem deutschen Volk zu haben. Wenn das deutsche Volk jetzt wieder im Ostfeldzug an die 160 000 Tote geopfert hat, so werden die Urheber dieses blutigen Konfl ikts dafür mit ihrem Leben bezahlen müssen. Christian Gerlach, Krieg, Ernährung, Völkermord. Forschungen zur deutschen Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, Hamburg 1998, S. 123 f. Erläutern Sie, mit welchen Absichten hier die „Vernichtung der jüdischen Rasse“ gerechtfertigt wird. M2 Serbien ist von Juden und Zigeunern frei Das Reichssicherheitshauptamt hat entschieden, dass die in Serbien lebenden oder dorthin verbrachten Juden umzubringen seien. Mit Befehl vom 4. Oktober 1941 wird die Massenexekution von Juden und Zigeunern eingeläutet – begründet als Mittel zur Bekämpfung des Widerstandes. Bis zum November 1941 wird der größte Teil der männlichen Juden und Zigeuner vom 14. Lebensjahr an aufwärts ermordet. Der mit der Erschießungsaktion beauftragte Oberleutnant Hans-Dieter Walther verfasst am 1. November 1941 einen Geheimbericht über die „Erschießung von Juden und Zigeunern“: 5 10 15 Nach Vereinbarung mit der Dienststelle der SS holte ich die ausgesuchten Juden bzw. Zigeuner vom Gefangenenlager Belgrad ab. Die Lkw. der Feldkommandantur 599, die mir hierzu zur Verfügung standen, erwiesen sich als unzweckmäßig aus zwei Gründen: 1. Werden sie von Zivilisten gefahren. Die Geheimhaltung ist dadurch nicht sichergestellt. 2. Waren sie alle ohne Verdeck oder Plane, sodass die Bevölkerung der Stadt sah, wen wir auf den Fahrzeugen hatten und wohin wir dann fuhren. Vor dem Lager waren Frauen der Juden versammelt, die heulten und schrien, als wir abfuhren. Der Platz, an dem die Erschießung vollzogen wurde, ist sehr günstig. Er liegt nördlich von Pancˇevo unmittelbar an der Straße Pancˇevo – Jabuka, an der sich eine Böschung befi ndet, die so hoch ist, dass ein Mann nur mit Mühe hinauf kann. Dieser Böschung gegenüber ist Sumpfgelände, dahinter ein Fluss. Bei Hochwasser (wie am 29. 10.) reicht das Wasser fast bis an die Böschung. Ein Entkommen der Gefangenen ist daher mit wenig Mannschaften zu verhindern. Ebenfalls günstig ist der Sandboden dort, der das Graben der Gruben erleichtert und somit auch die Arbeitszeit verkürzt. Nach Ankunft etwa 1 1/2 2 km vor dem ausgesuchten Platz stiegen die Gefangenen aus, erreichten im Fußmarsch diesen, während die Lkw. mit den Zivilfahrern sofort zurückgeschickt wurden, um ihnen möglichst wenig Anhaltspunkte zu einem Verdacht zu geben. Dann ließ ich die Straße für sämtlichen Verkehr sperren aus Sicherheitsund Geheimhaltungsgründen. Die Richtstätte wurde durch 3 l. M.G. und 12 Schützen gesichert: 1. Gegen Fluchtversuch der Gefangenen. 2. Zum Selbstschutz gegen etwaige Überfälle von serbischen Banden. Das Ausheben der Gruben nimmt den größten Teil der Zeit in Anspruch, während das Erschießen selbst sehr schnell geht (100 Mann 40 Minuten). Gepäckstücke und Wertsachen wurden vorher eingesammelt und in einem Lkw. mitgenommen, um sie dann der NSV1 zu übergeben. Das Erschießen der Juden ist einfacher als das der Zigeuner. Man muss zugeben, dass die Juden sehr gefasst in den Tod gehen – sie stehen sehr ruhig –, während die Zigeuner heulen, schreien und sich dauernd bewegen, wenn sie schon auf dem Erschießungsplatz stehen. Einige sprangen sogar vor der Salve in die Grube und versuchten sich totzustellen. Anfangs waren meine Soldaten nicht beeindruckt. Am 2. Tag jedoch machte sich schon bemerkbar, dass der eine oder 1 NSV: Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, vgl. Seite 281. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 32015_1_1_2015_Kap3_260-351.indd 315 01.04.15 11:00 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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