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327 Zwischen Anpassung und Widerstand M1 Was heißt Widerstand? Der Historiker Wolfgang Benz defi niert, was unter dem Begriff Widerstand im Nationalsozialismus verstanden werden kann: Die Bezeichnung Widerstand fasst als Oberbegriff verschiedenartige Einstellungen, Haltungen und Handlungen zusammen, die gegen den Nationalsozialismus als Ideologie und praktizierte Herrschaft gerichtet waren. Im weitesten Sinne sind darunter die ins Exil gefl ohenen Antifaschisten ebenso zu verstehen, die wenig oder keine Möglichkeit hatten, etwas ähnlich Entscheidendes gegen die Regierung Hitlers zu unternehmen, wie die Männer, die das Attentat des 20. Juli 1944 unternahmen. Zum Widerstand rechnet man auch die jenigen, die sich weder durch Lockung noch durch Zwang vom Nationalsozialismus vereinnahmen ließen; die ihre geistige Unabhängigkeit, ihre demokratische oder rechtsstaatliche Überzeugung, die Werte und Normen ihres Milieus – etwa im Rahmen der Arbeiterbewegung oder innerhalb kirchlicher und sonstiger religiöser und weltanschaulicher Bindungen – bewahrten und verteidigten. Im engeren Sinne ist aber zwischen den kritischen bis abweisenden Haltungen der Verweigerung und Selbstbehauptung einerseits und den bewussten Anstrengungen zur Änderung der Verhältnisse andererseits zu unterscheiden. Opposition gegen das Unrechtsregime war noch nicht gleichbedeutend mit persönlichem Einsatz und den damit verbundenen Gefährdungen. Diesen setzte sich jeder aus, der mit Flugblättern, Wandparolen, als Kurier zu Regimegegnern im Ausland aktiv war oder einem Verschwörerkreis angehörte, in dem der Sturz der Diktatur und eine neue Staatsund Gesellschaftsordnung geplant wurden. Verweigerung (als individuelle Abwehr des nationalsozialistischen Herrschaftsanspruchs und als Selbstbehauptung von Gruppen), Opposition (als Haltung grundsätzlicher Gegnerschaft) und Widerstand als bewusstes Handeln waren Formen kritischer und gegnerischer Einstellung zum NS-Regime. Sie bauten aufeinander auf und steigerten sich von der passiven Abwehr zum aktiv verwirklichten Wunsch nach Veränderung des Regimes. […] Um der damaligen Wirklichkeit zu entsprechen und um den verschiedenen Formen von Opposition gerecht zu werden, ist Widerstand im eigentlichen Sinn nicht nur als Haltung zu defi nieren, sondern als Handeln, das auf grundsätzlicher Ablehnung des Nationalsozialismus beruhte, das auch ethischen, 5 10 15 20 25 30 35 40 politischen, religiösen, sozialen oder individuellen Motiven darauf abzielte, zum Ende des Regimes beizutragen. Voraussetzung und Anlass war eine Haltung von Dissens zum NSRegime (Ian Kershaw) oder von „weltanschaulicher Distanz“ (Richard Löwenthal). Widerstand wurde daraus, wenn diese Haltung sich zur Absicht verdichtete, eine Änderung der Verhältnisse herbeizuführen. Widerstand im eigentlichen Sinne war dann jeder „bewusste Versuch, dem NS-Regime entgegenzutreten“ (Christoph Kleßmann) und die damit verbundenen Gefahren auf sich zu nehmen. Wolfgang Benz, Der 20. Juli 1944 und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Erfurt 2004, S. 17 19 1. Geben Sie mit eigenen Worten wieder, was Benz als Widerstand defi niert. 2. Der Historiker Detlef Peukert unterscheidet verschiedene Formen abweichenden Verhaltens während des Nationalsozialismus, die von Nonkonformität (unangepasstem Verhalten) über Verweigerung und Protest bis zum Widerstand reichen. Als Widerstand defi niert er nur, wenn das NS-Regime als Ganzes abgelehnt und Maßnahmen zu dessen Beseitigung getroffen wurden. Vergleichen Sie mit der Defi nition von Benz. 3. Bewerten Sie diese Form von Kategorisierung. M2 Rettungswiderstand Der 1924 in Polen geborene deutsche Historiker, Schriftsteller und Publizist Arno Lustiger hat den Holocaust überlebt und sammelt seit vielen Jahren Materialien über die Judenrettung während der NS-Zeit. Sein Buch „Rettungswiderstand“ versammelt Berichte über Judenretter aus rund 30 europäischen Ländern. Darunter fi ndet sich auch die Geschichte des Feldwebels Anton Schmid, der 1942 für seine Rettungsaktionen im besetzten Litauen vom Kriegsgericht zum Tode verurteilt worden ist: Am 24. Juni 1941 marschierten die deutschen Truppen in Wilna ein. Die Verfolgung der Juden begann sofort. [...] Bis Ende 1941 waren 33 000 von den 57 000 Juden Wilnas ermor45 50 u Kriegsprotest. Dieser Zettel wurde 1942 in einer Zugtoilette bei Wuppertal gefunden. 32015_1_1_2015_Kap3_260-351.indd 327 01.04.15 11:01 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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