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3973.3 Deutsches Selbstverständnis nach 1945 schen Beziehungen und der Verhältnisse zu den Staaten, die die DDR anerkannt hatten. Dazu gehörten auch Bemühungen um eine Aussöhnung mit den Opfern im Osten, die der berühmte Kniefall Brandts vor dem Mahnmal für die Opfer des Warschauer Ghettos symbolisch ausdrücken sollte. Stillstand und Ritualisierung in der DDR Eine solche auf den Nationalsozialismus zentrierte Auseinandersetzung der jungen Generation mit der älteren blieb in der DDR aus. Der ritualisierte antifaschistische Bezug auf den Nationalsozialismus wandelte sich nur in Nuancen. Öffentliche Kontroversen waren ohnehin nicht möglich. Neben der diktatorischen Verfasstheit des Staates war das einerseits durch die „antifaschistische Herkunft“ der Herrschenden bedingt. „Wir fühlten eine starke Hemmung, gegen Menschen Widerstand zu leisten, die in der Nazi-Zeit im KZ gesessen hatten“, kommentierte die Schriftstellerin Christa Wolf rückblickend. Andererseits war in der DDR die Auseinander setzung mit dem „HitlerFaschismus“ ein Dauerthema in Politik, Bildung und Medien. Seit Gründung des Landes war die Bevölkerung durch dutzende Romane, Fernseh und Kinoproduktionen, die zum Teil auch zum zentral vorgegebenen Schulstoff gehörten, „antifaschistisch“ beeinfl usst (z. B. Bruno Apitz „Nackt unter Wölfen“). Nach 1990: Die Aufarbeitung geht weiter Seit der Deutschen Einheit 1990 hat sich Deutschland einer „doppelten Vergangenheit“ zu stellen. Die Fehler, die bei der ersten „Diktaturbewältigung“ gemacht wurden – vor allem bei der strafrechtlichen Verfolgung der NS-Verbrechen – sollten sich bei der zweiten nicht wiederholen. Das vereinte Deutschland wandte sich, anders als nach 1945, unverzüglich der Aufarbeitung der Vergangenheit zu. Die Ver brechen der DDR-Diktatur wurden öffentlich gemacht, den Opfern wurde materiell und symbolisch Genugtuung verschafft, die Täter wurden bestraft. Für die Geschichtswissenschaft gilt das Thema DDR inzwischen als „überforscht“. Geschichtskulturell aber hat das Thema, vor allem in den Facetten „Repression und Mangel“, weiter Konjunktur. Seit 1990 gibt es auch eine gesamtdeutsche Erinnerung an den Nationalsozialismus. Befürchtungen, das Thema könnte zu den Akten gelegt werden, erwiesen sich als falsch. Das Bekenntnis zur Verantwortung für die deutschen Gewalttaten steht unverändert. In Wissenschaft, Medien und Kunst ist das Interesse an der NS-Zeit größer denn je. Das Bild jener Epoche wird immer differenzierter. Unternehmensgeschichten etwa klären den Beitrag der deutschen Wirtschaft an der Judenverfolgung sowie an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern während des Krieges. Mit der im Jahr 2000 i Kniefall Willy Brandts am Mahnmal für die Opfer des Warschauer Ghettos. Foto vom 7. Dezember 1970. Mit dieser spontanen Geste während seines Staatsbesuches gedachte Brandt der polnischen Juden, die 1943 beim Aufstand im Warschauer Ghetto von Deutschen ermordet worden waren. Am selben Tag unterzeichnete Brandt den Warschauer Vertrag, in dem die Bundesrepublik die Oder-NeißeLinie als Westgrenze Polens anerkannte. p Brandts Geste löste in der Bundesrepublik heftige Reaktionen aus. Eine Zeitschrift fragte auf der Titelseite: „Durfte Brandt knien?“ Nehmen Sie dazu Stellung. i Der frühere Umgang mit Geschichte wird selbst zur Geschichte. Ausgabe von 2009. 32015_1_1_2015_Kap3_386-419.indd 397 01.04.15 10:31 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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