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423Mythen der Nationen: Arminius – „Gründungsvater“ der Deutschen? Mythen der Nationen: Arminius – „Gründungsvater“ der Deutschen? Arminius und die Varusschlacht Noch heute ist das Hermannsdenkmal ein beliebtes Ausfl ugsziel. Tausende pilgern an jedem Sommerwochenende nach Hiddesen nahe Detmold im südlichen Teutoburger Wald, um die Grotenburg zum Denkmal hinaufzuwandern. Sein Erbauer Ernst von Bandel wollte damit an den Sieg der Germanen über die Römer im Teutoburger Wald erinnern. Dort sollen im Jahr 9 n. Chr. der Cheruskerfürst Arminius, „Hermann“ genannt, und die vereinten germanischen Stämme das Heer des römischen Statthalters Publius Quinctilius Varus vernichtend geschlagen haben. Seit etwa 16 v. Chr. unternahmen die Römer Militärzüge bis an die Nordsee, Weser und Elbe, errichteten Militäranlagen und Stützpunkte, um das germanische Gebiet rechts des Rheins zu befrieden und zu sichern. Bald entstanden zivile Siedlungen, allmählich wurde das Gebiet zwischen Weser und Rhein römischer Verwaltung unterstellt. Aus „Germanien“ sollte eine römische Provinz werden. Arminius war der Sohn eines römerfreundlichen cheruskischen Stammesfürsten. Um sich die Loyalität dieser führenden Familien zu sichern, verliehen ihnen die Römer das Bürgerrecht. Ihre Söhne – so auch Arminius – wurden oft im Reich erzogen und ausgebildet. Als Anführer cheruskischer Hilfstruppen machte Arminius im römischen Heer eine militärische Karriere. Nach seiner Rückkehr nach Germanien 7/8 n. Chr. führte er einen Aufstand gegen die römischen Besatzer an. Er lockte drei Legionen des römischen Feldherrn Varus in einen Hinterhalt. In einem dreitägigen Kampf soll Rom etwa 20 000 Mann verloren haben. Varus beging nach der verheerenden Niederlage Selbstmord. Was wir über die Germanen, Arminius und die „Schlacht im Teutoburger Wald“ wissen, wissen wir nur aus antiken römischen Schriften (u M1 und M2). Schriftliche Quellen der Germanen gibt es nicht. Wo genau die unter Arminius vereint kämpfenden germanischen Völker den Sieg über die Römer errangen, ist bis heute umstritten. Tacitus nennt den Teutoburger Wald als Ort der Varusschlacht. Dort, wo heute das Hermannsdenkmal steht, fand sie jedoch mit Sicherheit nicht statt. Archäologen konnten dort keinerlei Spuren eines Kampfes fi nden. Stattdessen weisen römische und germanische Funde immer deutlicher auf Kalkriese bei Osnabrück als Ort einer großen Schlacht dieser Zeit hin. Ob es sich dabei um die Varusschlacht handelt, darüber sind sich die Forscher allerdings nicht einig. Arminius: „Befreier Germaniens“? „Er war zweifellos der Befreier Germaniens, der nicht die Anfänge des römischen Volkes, wie andere Könige und Führer, sondern das Reich in vollster Blüte herausgefordert hat, in Kämpfen mit wechselndem Erfolg, im Krieg aber unbesiegt.“ Mit diesen Worten rühmt Tacitus in seinen Annalen den Cherusker Arminius als großen Rivalen Roms. Das von Tacitus überlieferte Bild prägt vielfach bis heute die Vorstellungen der historischen Ereignisse und der Person des Arminius. Lange galt die Niederlage der Römer als Anfang vom Ende ihrer Herrschaft in Germanien, als „Wendepunkt der Geschichte“ und Arminius als „Befreier Germaniens“. Möglicherweise trug die verlorene Varusschlacht tatsächlich dazu bei, dass der mittlere und nördliche Teil Deutschlands und Europas nicht römisch wurden, denn die i Das Hermannsdenkmal bei Detmold. Foto von 2006. Unterbau und Figur sind knapp 54 m hoch. Auf dem Schwert steht: „Deutsche Einigkeit meine Stärke, meine Stärke Deutschlands Macht.“ Unter einem Relief Wilhelms I. befi ndet sich die Inschrift: „Der lang getrennte Stämme vereint mit starker Hand / Der welsche Macht und Tücke siegreich überwandt / Der längst verlorne Söhne heimführt zum Deutschen Reich / Armin, dem Retter ist er gleich.“ p Analysieren Sie, welche historischen Parallelen mit dem Spruch gezogen werden. Was bedeutet „welsch“? 32015_1_1_2015_Kap4_420-441.indd 423 01.04.15 11:03 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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