Volltext anzeigen | |
61Anfänge und Verlauf der Reformation 50 55 60 65 70 scher Lehrer fühlte er sich zum Handeln verpfl ichtet; in einem Schreiben, das am 31. 10. 1517 an den Erzbischof Albrecht von Mainz abgeschickt wurde, bat er um die Korrektur der Praxis und regte eine akademische Disputation an. Als deren Grundlage verfasste er jene berühmten 95 Thesen, aus deren öffentlichkeitswirksamer Bekanntmachung am Portal der Wittenberger Schlosskirche sich die protestantische Identität über Jahrhunderte ableitete. Selbst wenn der Thesenanschlag in dieser Form nicht sicher ist: Die ursprünglich für eine akademische Auseinandersetzung verfassten Artikel verbreiteten sich wie ein Lauffeuer in ganz Deutschland. Innerhalb weniger Wochen waren sie in zahllosen Drucken vervielfältigt, auch deutsche Übersetzungen lagen vor. Luther selbst hatte dies am wenigsten kalkuliert. Mit einer in deutscher Sprache verfassten knappen Predigt, dem Sermon von Ablass und Gnade, schickte er im Frühjahr 1518 eine Erläuterung hinterher, die den Bekanntheitsgrad der 95 Thesen noch übertraf. Die Zustimmung war außergewöhnlich breit. Selbst viele der späteren Gegner Luthers empfanden die Ablasskritik als die lang ersehnte Diskussion über innerkirchliche Reformen. Luise Schorn-Schütte, Die Reformation. Vorgeschichte, Verlauf, Wirkung, München 52011, S. 30 32 1. Entwerfen Sie ausgehend von M1 ein Schaubild, in dem Sie den Ablasshandel und Luthers 95 Thesen in Beziehung zueinander setzen. Verwenden Sie dafür u. a. folgende Namen und Begriffe: Albrecht von Brandenburg, Erzbischof Albrecht von Mainz, Fugger, Martin Luther, Johann Tetzel; Ablasshandel, Ablasskritik, Ab lassprediger, Ämterhäufung, Frömmigkeit, Kredite, 95 Thesen. Analysieren Sie anschließend Ihr Schaubild. 2. Erläutern Sie, was mit einer „Vermischung von Geld, Politik und Frömmigkeit“ (siehe Zeile 44 f.) gemeint ist. 3. Die ersten beiden Thesen Luthers lauten: „1. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: ,Tut Buße‘ usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei. 2. Dies Wort kann nicht im Sinne der sakramentalen Buße verstanden werden (d. h. im Sinne der Beichte und Genugtuung, die durch das Amt der Priester vollzogen wird). […]“ (Nach: Ulrich Köpf (Hrsg.), Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 3: Reformationszeit, 1495 1555, Stuttgart 2001, S. 102). Analysieren Sie, was Luther mit den beiden Thesen meinte. M2 Die erste evangelische Ordnung Der Rat der Stadt Wittenberg beschließt, beeinfl usst von evangelischen Predigern, im Januar 1522 die erste evangelische Gemeindeordnung. Sie wird im Druck verbreitet und dient als Vorbild für andere Ordnungen, unter anderem in der Einrichtung eines „Gemeinen Kastens“ zur Armenfürsorge: Erstlich ist einhelliglich beschlossen, dass der Zehnte1 der Gotteshäuser, Priesterschaft und bestimmter Gewerbe in einen gemeinen Kasten2 gelegt wird. Dazu sind verordnet zwei des Rates, zwei von der Gemeinde, und ein Schreiber, die den Zehnten einnehmen, verwalten und damit arme Leute versorgen. […] Es sollen auch keine Bettler in unserer Stadt gelitten werden, die altersoder krankheitshalber zu arbeiten nicht geschickt sind, sondern man soll diese zur Arbeit treiben oder aus der Stadt verweisen. Wer aber ohne Schuld wegen Krankheit oder sonst in Armut ist, soll aus dem gemeinen Kasten durch die Verordneten in ziemlicher Weise versorgt werden. [Bettelverbot auch für Mönche und auswärtige Schüler] Aus dem gemeinen Kasten soll man auch die armen Handwerksleut beleihen, die ihr Handwerk nicht kontinuierlich ausüben können, damit sie einen Lebensunterhalt haben. Sie sollen aber zur festgelegten Zeit das Geld ohne Zins zurückzahlen, wenn sie dazu in der Lage sind. [Unterstützung aus dem gemeinen Kasten auch für Waisen und Kinder armer Leute] Wenn aber die Einkünfte zu solchen guten Werken nicht genügen, so soll jeder, er sei Priester oder Bürger, nach Vermögen jährlich eine Summe Geldes zur Armenfürsorge geben. Da der Zehnte der Priester, die wir jetzt haben, auch in den gemeinen Kasten geht, soll jeder, nachdem er bisher acht Gulden jährlich für seine Vigilien3 erhalten hat, mit sechs Gulden auskommen. Weil Messen und Vigilien abgebaut werden, sollen die Priester stattdessen arme, kranke Menschen besuchen und trösten, doch sollen sie niemand zu einem Testament veranlassen. Die Bilder und Altäre in den Kirchen sollen weggeschafft werden, damit Abgötterei vermieden wird, denn drei Altäre ohne Bilder sind genug. Die Messe soll so gehalten werden, wie sie Christus beim Abendmahl eingesetzt hat [Hinweise zum Ablauf]. Es mag auch der Kommunikant die konsekrierten Hostien4 in die 5 10 15 20 25 30 35 1 Zehnt: zehnprozentige Steuer (Geld oder Naturalien) 2 hier: gemeinsame Kasse 3 Vigil: Feier zur Vorbereitung auf ein kirchliches Fest 4 konsekrierte Hostien: geweihte (in ihrem Wesen gewandelte) Hostien, d. h. Abendmahlsbrote 32015_1_1_2015_Kap1_008-081.indd 61 01.04.15 10:57 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de s C .C . B uc hn r V er la gs | |
« | » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |