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69Auswirkungen im Reich und auf Europa Räte des Landesherrn saßen, leitete das Kirchenwesen Kursachsens. Die letzte Entscheidung lag beim Kurfürsten. Dieses Modell der Landeskirche mit dem Fürsten an der Spitze wurde zum Vorbild im ganzen Reich. Außerhalb Deutschlands, in England und Skandinavien, standen ebenfalls die Herrscher an der Spitze ihrer von Rom unabhängigen Staats kirchen. Ausbreitung der Reformation im Reich und in Europa Gleichzeitig mit Kursachsen bildete Hessen eine Landeskirche aus, dann folgten unter anderem Pommern, Mecklenburg, in den 1550er-Jahren Württemberg, (Kur-)Pfalz und (Kur-)Brandenburg (u M4). Um 1570 hatten die evangelischen Fürstentümer im Reich eine Kirchenordnung, die in den Grundzügen der kursächsischen entsprach. Damit war die Reformation verstetigt, der überwiegende Teil Deutschlands evangelisch (u M5). Bei der katholischen Kirche verblieben nur die Fürstentümer am Niederrhein, am Main und der äußerste Süden mit Bayern und den habsburgisch-österreichischen Territorien. Die Reformation in Deutschland strahlte auf Europa aus. Die skandinavischen Länder im Norden, unmittelbar von Luther beeinfl usst, sagten sich gänzlich von der römischen Kirche los. Dies war auch der Fall in England, wo König Heinrich VIII. 1535 eine englische Nationalkirche begründete. Die Lehren Luthers wurden ebenso im Westen und Süden Europas wahrgenommen, aber dort nur vereinzelt. Italien und Spanien hielten am katholischen Glauben fest. Im östlichen Mitteleuropa, in Ungarn und Polen, verbreiteten sich die neuen Lehren fl ächenhaft. Der Calvinismus Eine neuartige Dynamik erhielt die Reformation in Europa ab der Mitte des 16. Jahrhunderts durch den Calvinismus. Der Name leitet sich ab vom Initiator, dem Schweizer Reformator Johannes Calvin (1509 1564). Er begründete in Genf 1541 eine christliche Heilsgemeinschaft, in der penibel die Kirchendisziplin und das Verhalten der Bürger überwacht wurden. Der Calvinismus unterwarf so die Gläubigen nach dem Genfer Vorbild einer strengen kirchlichen Zucht, die im äußersten Fall auch den Widerstand gegen den Staat verlangte. Das war politisch von hoher Bedeutung. Langfristige soziale Auswirkungen hatte die calvinistische Prädestinationslehre. Danach ist dem Einzelnen vorausbestimmt, ob ihn Gott für das ewige Heil erwählt hat; der Grad der Erwählung zeigt sich bereits an den irdischen Lebensverhältnissen, also auch am wirtschaftlichen Wohlstand. Der Calvinismus verbreitete sich in Varianten seit etwa 1550 über Europa, von der Schweiz ins Reich hinein, in die Niederlande, nach Frankreich, England, Schottland und nach Mittelosteuropa. Innere Kriege in Frankreich und den Niederlanden In Frankreich wandten sich dem Calvinismus rund fünf bis zeitweilig zehn Prozent der Bevölkerung zu. Sie wurden Hugenotten genannt. Unter ihnen befanden sich zahlreiche Familien des hohen Adels, die um Unabhängigkeit und Macht kämpften. Eine Serie von inneren Kriegen, in denen die Hugenotten gegen den König und eine katholische Adelsfraktion standen, erschütterten das Land seit 1562 (u M6). Erst König Heinrich IV. (1553 1610) versöhnte die Kriegsparteien mit dem Edikt von Nantes 1598, das den Hugenotten eine begrenzte Religionsausübung im katholischen Frankreich gewährte. Heinrich (Henry) VIII. (1491 1547): König von England und Irland aus dem Haus der Tudors. Berühmt-berüchtigt wurde er wegen seiner sechs Eheschließungen, von denen zwei mit Scheidung und zwei mit Hinrichtung der Ehefrauen endeten. Da aus seiner ersten Ehe kein männlicher Thronfolger hervorgegangen war, suchte er den Papst um eine Scheidung an. Als dieser ablehnte, sagte sich Heinrich von der römischkatholischen Kirche los und ernannte sich selbst zum Oberhaupt der englischen Kirche, woraufhin er exkommuniziert wurde. Dadurch legte er die Grundlage für die protestantische Reformation in England. Hugenotten: Anhänger der reformatorischen Lehre in Frankreich, deren Glaube stark vom Calvinismus geprägt war. Seit 1530 wurden sie in Frankreich unterdrückt; 1685 erreichte die Verfolgung einen Höhepunkt und löste eine große Fluchtwelle in protestantische Gebiete Europas, nach Amerika und Südafrika aus. 32015_1_1_2015_Kap1_008-081.indd 69 01.04.15 10:57 Nu r z u Pr üf zw ec ke Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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