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871.2 Die Französische Revolution und ihre Wirkung dass aufgrund von Gerüchten, königliche Truppen würden die Stadt angreifen, eine aufgebrachte Menge am 14. Juli die Bastille stürmte. Die alte Festung diente als Staatsgefängnis und Pulverlager – und galt als Symbol der Unfreiheit. Ihre Eroberung, bei der sieben Gefangene befreit werden konnten und 98 Angreifer im Kampf fi elen, gab den Aufständischen in Paris ein nicht mehr zu nehmendes Bewusstsein von Macht. Es hatte die „Ketten der Knechtschaft“ (Rousseau) gesprengt – und ganz Europa nahm das staunend zur Kenntnis. Die Revolution der Bauern Auch auf dem Lande hatte man von den Generalständen Reformen erwartet. Als die Taten ausblieben, protestierten die Bauern mit friedlichen und gewaltsamen Mitteln gegen ihre Grundherren. Sie verweigerten Abgaben, stürmten Herrensitze, Schlösser und Klöster und vernichteten die Urkunden, die ihre Abgaben und Pfl ichten belegten. Gleichzeitig verbreitete sich eine „Große Furcht“ („Grande Peur“) vor herumstreunenden Bettler gruppen, plündernden Räuberbanden und Rachefeldzügen der Aristokratie. Sie stellte sich im Nachhinein oft als unbegründet heraus. Von der ständischen zur bürgerlichen Ordnung Während die ersten Adligen ins Exil gingen, richteten sich die politischen Hoffnungen der Bevölkerung auf die Verfassunggebende Versammlung. Waren die fast 1 200 Abgeordneten in der Lage, die ständische Gesellschaftsordnung in eine auf Freiheit und Gleichheit beruhende bürgerliche Ordnung umzuwandeln? Diese Aufgabe verlangte zunächst die Umformung der ständischen in eine bürgerliche Rechtsordnung. Der erste Schritt dahin waren die „Augustbeschlüsse“, mit ihnen sollten die Sonderrechte (Privile gien) von Ständen, Provinzen und Städten abgeschafft werden. Die folgende Gesetz gebung regelte erstmals die politische Gleichberechtigung aller Stände und – daraus resultierend – die rechtliche und steuerliche Gleichheit der Bürger. Freie (ständisch ungebundene) Staatsbürger sollten von nun an selbst über ihr Eigentum (vor allem über Grund und Boden) verfügen können. In einem zweiten Schritt wurde am 26. August 1789 die Erklärung der Menschen und Bürgerrechte verabschiedet. Marquis de Lafayette, der im amerikanischen Unabhän gigkeitskrieg gekämpft hatte und nun Befehlshaber der Nationalgarde war, hatte der Nationalversammlung am 11. Juli den Entwurf der Erklärung vorgelegt. Sie sollte Teil der zu erarbeitenden Verfassung werden und verkündete die wirkungsmächtigsten Prinzi pien der Französischen Revolution von 1789: die Freiheit des Individuums (Liberté), die Gleichheit der Bürger (Egalité) sowie, weniger deutlich, die Brüderlichkeit (Fraternité) aller Menschen. Die „Charta der modernen Demokratie“, so der Historiker François Furet, hatte einen Nachteil: Sie löste die noch schwache Forderung nach der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht ein. Von zentraler Bedeutung während der Verfassungsberatungen war die Frage, welche Kompetenzen dem Monarchen künftig zugestanden werden sollten. Seine Exekutiv gewalt wurde nicht infrage gestellt, aber in der Gesetzgebung räumte die Mehrheit der Deputierten dem König nur noch ein aufschiebendes Einspruchsrecht (suspensives Veto) ein, mit dem er Gesetze zwar nicht generell verhindern, aber für vier Jahre blockieren konnte. Trotz dieser Zugeständnisse wollte der König die Verfassung zunächst nicht anerkennen. i Kokarde. Bandschleife in Form einer Rosette, die in der Regel am Hut getragen wurde. Am 21. Oktober 1789 führte der Militärausschuss der Stadt Paris eine Kokarde ein, die aus einem weißen mit blauer und roter Borte eingefassten Band bestand. Damit verknüpfte man die Farben der Stadt (rot und blau) mit denen der Monarchie (weiß). Marie Joseph Paul Yves Roch Gilbert du Motier, Marquis de Lafayette (auch La Fayette) (1757 1834): Obwohl adliger Herkunft, unterstützte er die Forderungen des Dritten Standes. Am Tag nach dem Sturm auf die Bastille wurde er zum Kommandanten der Pariser Nationalgarde gewählt. Er beteiligte sich an der Ausarbeitung der Menschenund Bürgerrechtserklärung, setzte sich für eine konstitutionelle Monarchie ein und ging 1792 ins Exil. 32015_1_1_2015_Kap1_082-113.indd 87 01.04.15 10:09 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de s C .C . B uc hn er V er la gs | |
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