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91Christen, Juden und Muslime – Konfrontation, Koexistenz und Kooperation die religiösen Vorschriften beachtet wurden und das Hebräische in Gebet und Brauchtum weiterlebte. Die frühen Siedlungen der Juden entstanden in Mitteleuropa an wichtigen Handelsplätzen. Bischöfe und Könige hatten sie in ihre Städte geholt, unter ihren Schutz gestellt und mit Privilegien ausgestattet. Die Juden konnten ihre Religion frei ausüben und genossen Handelsfreiheit sowie eine un abhängige Gerichtsbarkeit. Die jüdischen Händler trieben Handel mit den Ländern am Mittelmeer und im Orient. Handelsbeziehungen mit fernen Ländern, die in der Völkerwanderungszeit zusammengebrochen waren, entstanden mithilfe der Juden wieder neu. Im Deutschen Reich lebten im 11. Jahrhundert etwa 20 000 bis 25 000 Juden. Sie arbeiteten als Fernhändler, Ärzte, Handwerker oder Viehund Pferdezüchter. Jüdische Kultur und Gelehrsamkeit erlebten in den Städten bis zum Ende des 11. Jahrhunderts eine Blütezeit. Die jüdischen Gemeinden der rheinischen Städte Speyer, Worms und Mainz gehörten zu den führenden im Reich und standen oft unter dem Schutz von Bischöfen und Kaisern (u M1). Jüdische Gelehrte aus verschiedenen europäischen Ländern kamen zum Studium der Bibel und des Talmud dorthin. Die gemeinsame Ansiedlung in sogenannten „Judengassen“ in der Umgebung der Synagoge war den Juden selbst aufgrund ihrer Riten und Religionspraxis willkommen. Sie ist daher nicht mit der ihnen aufgezwungenen Siedlung im Ghetto gleichzusetzen, die erst seit dem 15. Jahrhundert zur antijüdischen Politik der Obrigkeit gehörte. Die Häuser in den „Judengassen“, die meist zentral, nahe bei Kirche, Rathaus und Markt lagen, unterschieden sich architektonisch nicht von den Bauten der Christen. Nur die am Türpfosten angebrachte Mesusah, eine kleine Kapsel mit Bibelversen auf Pergament rollen, verwies damals – genauso wie heute – auf den jüdischen Glauben ihrer Bewohner. Manche Juden wohnten auch außerhalb der „Judengassen“, wie umgekehrt manchmal auch Chris ten innerhalb eines jüdischen Wohnviertels lebten. Die Juden hatten zuweilen christliche Diener; Geschäftsbeziehungen zu Christen waren ganz selbstverständlich. Bei Prozessen zwischen Juden und Chris ten wurde der beim Gott des Alten Testaments geschworene sogenannte „Judeneid“ rechtlich durchaus als gleichwertig zum christlichen Eid anerkannt. Allerdings musste er oft unter diskriminierenden äußeren Formen erfolgen (z. B. Stehen auf einer Schweinshaut). Juden besuchten die Bäder der Stadt und konnten in Städten mit größeren Judengemeinden damit rechnen, dass christliche Wirte auch koscheren Wein anboten, der nach den jüdischen Religionsgesetzen zubereitet war. So kannte der mittelalterliche Alltag ein pragmatisches Zusammenleben und eine gewisse gegenseitige Anerkennung von Christen und Juden. Allerdings blieb auf christlicher Seite ein allgemeines Unverständnis und eine religiös motivierte Anfeindung gegenüber jüdischem Brauchtum bestehen. i Kirche und Synagoge. Steinfi guren am Straßburger Münster, ca. 1230. Viele mittelalterliche Bilder und Figuren zeigen das Judentum als schöne Frau mit verbundenen Augen, einem zerbrochenen Stab und – hier nicht dargestellt – mit einer herabfallenden Krone. p Recherchieren Sie, wofür die Attribute der Figuren jeweils stehen und welche Wirkung von ihnen ausgehen soll. Beurteilen Sie das christliche Verständnis, das damit deutlich wird. Talmud: bedeutendste Zusammenfassung der Lehren, Vorschriften und Überlieferungen des nachbiblischen Judentums. Durch die zusätzliche Kommentierung der Religionsgesetze bietet er eine Sammlung rabbinischer Gelehrsamkeit. N r z ur P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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