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Der Untergang des Römischen Reiches wird gedeutet 111 M10 Misslungene Integration? Alexander Demandt lehrt bis 2005 Alte Geschichte an der Freien Universität Berlin. Einen Schwerpunkt seiner Forschung bildet die Spätantike. Das Imperium war ein Vielvölkerstaat von einer im Altertum beispiellosen Liberalität und Toleranz. [...] Die Feinde von gestern waren die Sklaven, Siedler und Söldner von morgen. Das Reich hatte so viele Nordvölker aufgenommen und romanisiert, dass noch Kaiser Valens zwei Jahre vor der Katastrophe bei Adrianopel glauben konnte, auch die Westgoten zu assimilieren1). [...] Der Zerfall des Imperium Romanum resultiert nicht zwangsläufig aus dem Vielvölkerstaat, und dieser erwuchs nicht aus einem hybriden2) Programm gottgewollter Weltherrschaft. Rom scheiterte nicht an vermeidbaren Fehlern unfähiger Männer, nicht im Luxus aus verweichlichten Sitten. Nicht einmal daraus kann man [...] den Römern einen Vorwurf machen, dass sie zugunsten ziviler Ziele die militärische Sicherheit sträflich vernachlässigt hätten. Die äußere Bedrohung war schwerlich erkennbar. Die ins Reich übernommenen Ubier3) und Carpen4) wurden zu Römern, die Goten und Franken nicht mehr. Die Weltreiche der Neuzeit zerfielen, weil die beherrschten Völker Selbstbestimmung verlangten. Innere Gründe waren entscheidend. Demokratische und nationale Tendenzen dieser Art sind im Römerreich kaum erkennbar. Das äußere Kräfteverhältnis hatte sich zu Roms Ungunsten verschoben. Roms wirtschaftliche Überlegenheit wurde durch einen steigenden militärischen und demografischen5) Außendruck infrage gestellt, der durch Zahlungen an Barbaren und durch Ansiedlung nicht mehr abzufangen war. Man 5 10 15 20 25 30 35 40 45 hat es versucht. Aber das war ein Quantitätsproblem. Der Fall Roms war das Ergebnis einer misslungenen Integration. Vielleicht hat jedes System seine Kapazitätsgrenzen, aber Rom hat gezeigt, dass diese beträchtlich erweitert werden können, sofern der Politik, wenn auch nicht immer in der Praxis, so aber doch in der Idee, die Prinzipien eines auf dem Gedanken der Humanität aufgebauten Rechts zugrunde liegen. [...] Frieden und Wohlstand sind nur dann gesichert, wenn Spannungen zwischen oben und unten, innen und außen nicht zu groß werden. Für den Ausgleich bedarf es der höchsten unter den Kardinaltugenden, der Gerechtigkeit. Das wussten auch die Römer. Alexander Demandt, Die Auflösung des Römischen Reiches, in: Ders. (Hrsg.), Das Ende der Weltreiche. Von den Persern bis zur Sowjetunion, München 1997, S. 28–46, hier S. 45 f. 1. Erarbeiten Sie Demandts Erklärung für den Untergang Roms und beurteilen Sie diese. 2. Vergleichen Sie Demandts Deutung mit der aktuellen Situation in Mitteleuropa. 1) eingliedern, anpassen 2) hier: überheblichen 3) germanischer Stamm, der um 38 v. Chr. unter Augustus auf linksrheinischem Gebiet in der Gegend des heutigen Köln zum Schutz der römischen Grenze angesiedelt wurde 4) Die Römer siedelten diesen germanischen Stamm aus Dakien gegen Ende des 3. Jahrhunderts auf Reichsgebiet am rechten Donauufer an. 5) hier: durch die Bevölkerungsbewegung verursacht Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d C .C .B uc h r V er l gs | |
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