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181Umgang mit Texten und Medien Spiegelungen unterschiedlicher Ansicht! Ma, die sonst in allem Pa zustimmte! Wie konnte sie ihm in Gegenwart ihres Sohnes widersprechen? Das war unfassbar. Beängstigend. Eine kleine Stimme flüsterte in meinem Kopf: Das war mutig von Ma. Ich spürte, wie mein Herz klopfte, dass mein ganzer Körper heiß geworden war. Ma! Ich habe meine Mutter immer geliebt. In jenem Moment verehrte ich sie glühend. Ich war alt genug, um zu wissen, welche Überwindung es für sie bedeutete, sich Pa entgegenzustellen. Man forderte Pa nicht ohne Folgen heraus. Pa war unsere höchste Autorität. Toleranz wurde wenig in unserer Familie gepredigt. Alles hatte seinen Platz. Jeder seinen Rang. Wie in der Weltordnung: Gott war der Herr der Welt, Jesus sein Sohn. Als Kleinkind, als ich noch halbwild mit den schwarzen Kindern herumziehen durfte, wusste ich bereits, dass wir beide einen höheren Status hatten als die Eingeborenen. Obwohl sie diejenigen waren, die uns zeigten, welche wilden Früchte man essen konnte, wie man dem Ruf eines Honigvogels folgte und dann den Honig raubte. Ich hatte Pa als Vorbild gesehen. Nun war ich bedrückt, verspürte gleichzeitig Trauer und Wut. Fühlte mich verraten. Pas Haltung verunsicherte und enttäuschte mich. Hatte ich Pa nicht als die Verkörperung des Guten gesehen? Nie hatte ich mich ihm widersetzt. Bis jetzt. Nun verstand ich seine Haltung nicht, fand, dass er Unrecht hatte. Sara war noch dasselbe Mädchen, das wir am Hafen abgeholt hatten, nichts an ihr hatte sich geändert, auch wenn er nun wusste, dass ihre Mutter eine Hebrärerin gewesen war. Warum sollte er sie deswegen ablehnen? Bei diesem Gespräch, in dem er Sara noch mehrmals als Hebräerin bezeichnete, spürte ich, dass mir etwas Wichtiges verloren gegangen war. Mein Respekt vor Pa. Das tat weh. Ich musste unwillkürlich daran denken, wie tierlieb Pa war. Wir hatten immer Tiere – Hunde, Katzen. Einmal war ich dabei, wie Pa einen Hund aus einer Falle befreite, die Wilderer aufgestellt hatten. Pa hatte das verletzte Tier selbst versorgt. Tiere konnte er lieben. Sara, die Hebräerin, nicht. 35 40 45 50 55 60 Südafrika 1948 Mit dem Wahlsieg der National Party kommen die Afrikaner (weiße, Afrikaans sprechende Südafrikaner) an die Macht und rufen mit der Apartheid eine neue Ära des Rassismus aus. Die Lebensbedingungen für Südafrikas schwarze Bevölkerung verschlechtern sich dramatisch. Das angestrebte Gesellschaftssystem basiert auf Rassentrennung und weist damit Pa rallelen zur Judenverfolgung im erst drei Jahre zuvor untergegangenen Dritten Reich auf. Ehen zwischen Mitgliedern verschiedener Rassen werden verboten, die Bevölkerung nach Rassen geordnet und gesetzlich voneinander getrennt. Nu r z u Pr üf zw ck n Ei ge tu m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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