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Was heißt hier „wahr“? 149 So einfach macht es sich die Philosophie? Prof. L. Ogisch: Natürlich nicht, Philosophen haben noch andere Kriterien für Wahrheit gefunden. Die Aussage: „Wir unterhalten uns“ stimmt mit der Wirklichkeit überein. Was ich sage, ist wahr, wenn es mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das leuchtet ein! Aber was, wenn man das nicht so leicht erkennen kann? Prof. L. Ogisch: Dann kann man zunächst einmal schauen, ob Aussagen in sich keine Widersprüche enthalten. Wenn ich Ihnen z. B. erzähle, dass ich gestern Mittag um 12:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit in New York gegessen habe, und Ihnen anschließend erzähle, dass ich zu dieser Zeit in Paris im Museum war – würden Sie mir das glauben? Aber ganz bestimmt nicht! Prof. L. Ogisch: Aber wieso nicht? Sie waren doch gar nicht da! Sie können doch gar nicht wissen, ob meine Aussagen mit der Wirklichkeit übereinstimmen! Aber sicher doch! Sie widersprechen sich doch selbst! Prof. L. Ogisch: Sehen Sie! An inneren Widersprüchen von Aussagen kann man erkennen, dass sie nicht wahr sind. Widerspruchsfreiheit ist also ein weiteres Kriterium für Wahrheit. Aber sind deswegen schon alle widerspruchsfreien Aussagen wahr? Prof. L. Ogisch: Nicht unbedingt. Aber wenn sich viele – idealerweise sogar alle Menschen – nach einem vernünftigen Austausch aller Kenntnisse und Argumente auf eine Aussage einigen, dann kann man doch recht sicher davon ausgehen, dass diese Aussage der Wahrheit entspricht. Da bin ich nicht sicher. Man sagt doch: Auch die Mehrheit kann irren. Früher haben doch alle Menschen angenommen, die Erde sei eine Scheibe. Prof. L. Ogisch: Nun, es gibt noch ein weiteres Kriterium für Wahrheit: Man kann überprüfen, ob sich eine Annahme in der Praxis bewährt. Das wäre dann ein Hinweis dafür, dass die Annahme wahr ist. Die Annahme, dass die Erde eine Scheibe ist, konnte durch die Erfahrungen der Weltumsegler nicht bestätigt werden; vielmehr hat sich die Annahme, dass die Erde kugelförmig ist, bewährt. Deshalb ist sie wahr. 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass es mit der Wahrheit nicht so einfach ist. Prof. L. Ogisch: Das ist wahr. Dennoch scheint es wichtig zu sein, nach ihr zu suchen. M1/M2: nach Klaus Draken, S. 158-159 Wahrheitstheorien In der Philosophie gibt es mehrere Wahrheitstheorien, die unterschiedliche Kriterien dafür aufstellen, wann etwas als wahr gelten kann. Evidenztheorie: Als wahr gilt ein Sachverhalt, der offensichtlich, unmittelbar einleuchtend und einsehbar (evident) ist. Korrespondenztheorie: Eine Aussage gilt dann als wahr, wenn sich (z. B. durch einen Beweis) zeigen lässt, dass sie mit der Wirklichkeit übereinstimmt (korrespondiert). Kohärenztheorie: Eine Aussage gilt dann als wahr, wenn sie nicht im Widerspruch zu anderen Aussagen steht, wenn sich ein widerspruchsfreier Zusammenhang (Kohärenz) ergibt. Konsenstheorie: Die Aussage gilt dann als wahr, wenn ihr andere – im Idealfall: alle – vernünftigen Menschen zustimmen können, d. h. wenn sie einen Konsens unter vernünftigen Wesen darstellt. Wahrheitstheorie des Pragmatismus: Eine Aussage gilt dann als wahr, wenn sie sich im Handeln (in der Praxis) bewährt. Bernd Rolf, S. 129 IN F O 1 Jemand von euch versetzt sich in Jans Situation und erzählt, was er im Park erlebt hat. Die anderen versetzen sich in die Lage seiner Freunde. Entscheidet und begründet, ob ihr Jan glaubt oder nicht. ➜ M1 2 Sucht in der Geschichte nach Begründungen, warum etwas für wahr gehalten werden kann. Stellt diese in Partnerarbeit in einer Mindmap zusammen. ➜ M1 3 Woran machen Philosophen fest, ob etwas wahr ist oder nicht wahr sein kann? Lege eine Tabelle mit zwei Spalten an. Trage in die linke Spalte die verschiedenen Wahrheitskriterien ein. ➜ M2 4 Beziehe die Wahrheitskriterien aus M2 auf Jans Erzählung aus M1. Notiere in der rechten Spalte deiner Tabelle, welche Wahrheitskriterien sich in der Erzählung identifizieren lassen. ➜ M1/M2 A u fg a b e nNu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B u hn er V er la gs | |
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