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Die Kunst der Widerlegung 161 1 Nenne Gründe, warum führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (s. Symbole in der Abbildung M2) so verärgert auf Sokrates reagieren. ➜ M1/M2 2 Beschreibe die Sokratische Methode der Elenktik und Mäeutik. Was unterscheidet sie von einem „Herein legen“ oder „an-der-Nase-Herumführen“? ➜ M2/M3 3 Sammelt Beispiele für das „Unkraut“ im menschlichen Geist aus dem Alltag, vor allem den Medien. ➜ M3 4 Schreibe den Dialog weiter. ➜ M4 5 Stellt euch vor, Fred geht nach Hause und berichtet seinem Freund von einer merkwürdigen Begegnung. Was könnte er sagen? ➜ M4 6 Einigt euch auf ein Thema (z. B. Autofahren) und entwerft einen sokratischen Dialog. ➜ M2/M4 Glossar: Aporie, Elenktik, Mäeutik A u fg a b e n Die Mäeutik oder Hebammenkunst Versuchen wir, den menschlichen Geist so zu be schreiben, wie Sokrates ihn sich wohl vorgestellt hat: in der Mitte ein großer Haufen Unkraut, unter dem gut versteckt die Wahrheit oder vielmehr die richtige Einschätzung der Verhältnisse, der „Sinn der Dinge“ verborgen liegt. Was soll man tun, fragt sich Sokrates, um zur Erkenntnis zu gelangen? Zunächst einmal muss man das Unkraut wegschaffen und dann die Wahrheit ans Licht bringen. Für die erste Phase, die wir „Unkrautjäten“ nennen könnten oder pars de stru ens für die Freunde des Lateinischen, bedient sich Sokrates der Ironie. Dieses Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet „verhüllend befragen“. Diese Kunst beherrscht der Meister unvergleichlich gut. Er stellt sich immer vollkommen unwissend und ahnungslos und gibt vor, von seinem Gesprächspartner lernen zu wollen. Seine Fragen werden immer bohrender, und am Ende konfrontiert er ihn mit seinen eigenen Widersprüchen. Das Unkraut nämlich, von dem wir oben sprachen, sind all die Vorurteile, falschen Ideale und abergläubischen Vorstellungen, die unseren Geist umnebeln. Sobald also diese Schla cken beseitigt sind, kann man zur wahren Erkenntnis gelangen, und dafür ist nun die Geburtshilfe nötig, nämlich die „Kunst, den Geist hervorzubringen“. So krates beschreibt sie im Theaitetos in Erinnerung an seine Mutter: „Von meiner Hebammenkunst nun gilt im Übrigen alles, was von der ihrigen; sie unterscheidet sich aber dadurch, dass sie Männern die Geburtshilfe leistet und nicht Frauen, und dass sie für ihre gebärenden Seelen Sorge trägt und nicht für Leiber.“ Luciano De Crescenzo, S. 44-45 Warum ist dein Tennisklub der beste? Sokrates: Wohin so eilig? Fred: Zum Tennis! Sokrates: Wo spielst du denn? Fred: Nun, doch natürlich in dem besten Klub der Stadt. Sokrates: So, du weißt also, welcher der beste ist? Fred: Natürlich! Sokrates: Das interessiert mich. Bei so vielen Dingen habe ich vergeblich gefragt, was das ist, was etwas M4 M3 5 10 15 20 25 30 5 10 15 20 25 30 gut sein lässt. Ich bin glücklich, jemanden gefunden zu haben, der es weiß, wenn auch nur im Tennis ... Sag mir, warum ist dein Klub der beste? Fred: Weil man die besten Verbindungen bekommt. Sokrates: Was für Verbindungen? Zum Tennisspielen? Fred: Ach wo, halt Verbindungen. Sokrates: Aber [...] gehst du nicht in den Klub, um Tennis zu spielen? Fred: Oh ja, das auch. Sokrates: Nun, dann sage mir, warum dein Klub für dein Tennisspielen der beste ist. Fred: Weil da die besten Spieler sind. Sokrates: Das ist eine überzeugende Antwort. Und dennoch: Sag mir, [...] wenn es nun alles viel bessere Spieler sind als du – hast du schon einmal erlebt, dass bessere Spieler mit viel schlechteren spielen wollen? Fred: Gewiss nicht. Sokrates: Ist es dann nicht richtiger, in einen Klub zu gehen, wo die Spieler schlechter sind als du? Fred: [...] [A]ber dann lerne ich ja nichts. Sokrates: Das ist wahr. Also ist es wohl das Beste, in den zu gehen, wo man gleich gute Spieler findet? Fred: Offenbar. Sokrates: Aber was heißt: gleich gute Spieler? Solche, die es glauben zu sein, oder auch solche, die es sind, wenn sie sich auch selber für besser halten? Hans-Georg Gadamer, S. 32f. Nu r z u Pr üf zw ck n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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