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253Höhepunkte des Kalten Krieges und die beiden deutschen Staaten 1 Willy Brandt in Erfurt. Foto vom 19. März 1970. Vor dem Tagungshotel hatten sich tausende DDR-Bürger versammelt. Sie riefen „Willy, Willy!“ und „Brandt ans Fenster!“. ó Nenne mögliche Gründe für das Verhalten. „Wandel durch An näherung“ 1961 hatte sich US-Präsident John F. Kennedy in seiner Antrittsrede für eine An näherung zwischen Ost und West eingesetzt. Aber erst nach der Kuba-Krise von 1962 begann eine Entspannungspolitik zwischen den beiden Supermächten. Sie machte es auch den westdeutschen Politikern möglich, das Verhältnis zu den kommunis tisch regierten Staaten neu zu gestalten (Neue Ostpolitik). Verständigungsschwierigkeiten mit der Sow jetunion, Polen und der Tschechoslowakei gab es nicht nur wegen der unterschiedlichen Staatsund Gesellschaftsordnungen, der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bündnissen (NATO und Warschauer Pakt) und des Mauerbaus. Belastend wirkten auch die Erinnerungen an die deutschen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg und die Vertreibung der deutschen Bevölkerung bei Kriegs ende. Bundeskanzler Brandt und Außenmi nis ter Walter Scheel (FDP) gelang mit den west lichen Bündnispartnern der Durchbruch in der Ostpolitik. Zwischen 1970 und 1973 schlossen sie die sogenannten Ostverträge mit der Sowjetunion, Polen und der Tschechoslowakei ab. Dabei betonte die Bundesregierung, dass sie „auf einen Zustand des Friedens in Europa hinwirken“ wolle, „in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangen“ könne. Brandt und Scheel bestätigten in diesen Verträgen die Nachkriegsordnung, um so den „Eisernen Vorhang“ durchlässiger zu machen. Langfristig sollte ein „Wandel durch An näherung“ zur Überwindung der deutschen und europäischen Teilung beitragen. Als Gegenleistung erkannte die Sowjetunion nach Verhandlungen mit den Ver einigten Staaten, Großbritannien und Frankreich 1971 im Vier mächte-Ab kommen die besondere Bindung West-Berlins an die Bundesrepublik an und bestätigte die Viermächte-Verantwortung für ganz Berlin. Deutsch-deutsche Beziehungen Da der DDR frei gewählte politische Einrichtungen fehlten, beanspruchten die westdeutschen Regierungen, das ganze deutsche Volk völkerrechtlich zu vertreten. Dieser Alleinvertretungsanspruch war von den Westalliierten bekräftigt worden. Mit den Ostverträgen wurde eine neue Politik der Bundesrepublik gegenüber der DDR notwendig. Erste Gespräche zwischen Bundeskanzler Brandt und dem Vorsitzenden des DDR-Ministerrates, Willi Stoph, fanden 1970 in Erfurt und Kassel statt. Mit den Begegnungen kam Bewegung in die deutsch-deutschen Beziehungen. 1971 wurde eine Vereinbarung getroffen, die den Verkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin erleichterte (Transitabkommen). Es war das erste Abkommen zwischen den beiden deutschen Regierungen. Der Grundlagenvertrag Im Mai 1973 billigte der Bundestag nach heftigen Diskussionen den am 21. Dezember 1972 unterschriebenen Grund lagenvertrag. Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR erkannten sich als gleichberechtigte Staaten an und verpfl ichteten sich zu „gutnachbarschaftlichen Beziehungen“. Wie schon anlässlich der Unterzeichnung des „Moskauer Vertrages“ übergab die Bundesregierung jetzt auch der Regierung der DDR einen „Brief zur deutschen Einheit“. Er wies auf das Recht des deutschen Volkes hin, seine Einheit in „freier Selbstbestimmung“ anzustreben. Darüber hinaus hielt die Bundesregierung fest, dass beide Seiten füreinander kein Ausland waren. Deshalb tauschten die Regierungen keine Botschafter, sondern nur „Ständige Vertreter“ aus. Die bayerische Staatsregierung ließ den Grundlagenvertrag vom Bundesverfassungsgericht prüfen. Das höchs te bun desdeutsche Gericht wies im Juli 1973 die Klage ab. Es erklärte aber, dass Bundesrepublik und DDR „Teile eines noch immer existierenden, wenn auch handlungsunfähigen, umfassenden Staa tes Gesamtdeutschland“ seien und eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik durch diesen Vertrag nicht ausgesprochen werde. Darüber hinaus stellte es fest, dass „Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen und Schießbefehl“ an der Grenze mit dem Geist des Grundlagenvertrages unvereinbar seien. Die Neue Ostpolitik 4493_1_1_2014_232_271_kap5.indd 253 07.04.14 13:18 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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