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Anfang der Toleranz – die Ringparabel 165 Interpretiere den Kupferstich, indem du Thema und Aus sage bestimmst, und erläutere, warum hier ein klares Bekenntnis zur Aufklärung vorliegt. ➜M1 Übersetze Lessings Ringparabel in eine allgemeine Definition des Begriffs Toleranz. Erarbeite die Definition in folgender Weise: · Benenne zunächst den obersten bzw. wichtigs ten Wert, der Lessings Ringparabel zugrunde liegt. · Bestimme dann das Verhältnis der religiösen Wahr heiten zum obersten Wert und erläutern Sie, was für Lessing Kern aller Religionen ist. · Formuliere abschließend den Unterschied zwi schen einem Religionsverständnis mit und ohne Toleranz und benennen Sie konkrete Toleranz for de rungen an die Religionen. Fasse dein Ergebnis in Form eines kleinen Artikels zusammen. Glossar: Lessing, Parabel 1 2 A u fg a b e n 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 Verlassen, so zu kränken. – Was zu tun? – Er sendet in geheim zu einem Künstler, Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, Zwei andere bestellt, und weder Kosten Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, Kann selbst der Vater seinen Musterring Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft Er seine Söhne, jeden ins besondre; Gibt jedem ins besondre seinen Segen, – Und seinen Ring, – und stirbt. – Du hörst doch, Sultan? SALADIN der sich betroffen von ihm gewandt Ich hör, ich höre! – Komm mit deinem Märchen Nur bald zu Ende. – Wirds? NATHAN Ich bin zu Ende. Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. – Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder Mit seinem Ring’, und jeder will der Fürst Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht Erweislich; – nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort erwartet Fast so unerweislich, als Uns itzt – der rechte Glaube. […] SALADIN Und nun, der Richter? – Mich verlangt zu hören, Was du den Richter sagen lässest. Sprich! NATHAN Der Richter sprach: wenn ihr mir nun den Vater Nicht bald zur Stelle schafft, so weis’ ich euch Von meinem Stuhle. Denkt ihr, dass ich Rätsel Zu lösen da bin? Oder harret ihr, Bis dass der rechte Ring den Mund eröffne? – Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; Vor Gott und Menschen angenehm. Das muss Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden Doch das nicht können! – Nun; wen lieben zwei Von euch am meisten? – Macht, sagt an! Ihr schweigt? Die Ringe wirken nur zurück? und nicht Nach außen? Jeder liebt sich selbst nur Am meisten? – O so seid ihr alle drei Betrogene Betrieger! Eure Ringe Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring Vermutlich ging verloren. Den Verlust Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater Die drei für einen machen. SALADIN Herrlich! herrlich! NATHAN Und also; fuhr der Richter fort, wenn ihr Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt: Geht nur! – Mein Rat ist aber der: ihr nehmt Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. – Möglich; dass der Vater nun Die Tyrannei des Einen Rings nicht länger In seinem Hause dulden wollen! – Und gewiss; Dass er euch alle drei geliebt, und gleich Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, Um einen zu begünstigen. – Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen Von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut, Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, Mit innigster Ergebenheit in Gott, Zu Hülf’! Und wenn sich dann der Steine Kräfte Bei euern Kindes-Kindeskindern äußern: So lad’ ich über tausend tausend Jahre, Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen, Als ich; und sprechen. Geht! – So sagte der Bescheidne Richter. Gotthold Ephraim Lessing, S. 276–280 N u r zu P rü fz w c k E ig n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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