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Sigmund Freud 177 Informiere dich über das Leben und Werk Sigmund Freuds. Bestimme mithilfe des Informationstextes, wel ches Anliegen die Psychoanalyse verfolgt. ➜M1 Analysiere Freuds Begründung dafür, warum die Religion im Gegensatz zu Kunst und Philosophie ein mächtiger Feind der Wissenschaft ist. ➜M2 Gib den drei Funktionen der Religion einen passenden Namen und bestimme im Anschluss Freuds Religionsbegriff. ➜M3 Verfasse zu Freuds Antwort auf die Frage, ob der Mensch nicht auch ohne Religion zu leben vermag, eine mögliche Gegenposition, indem du ein anderes Religionsverständnis in die Diskussion einbringst. ➜M4 1 2 3 4 A u fg a b e n 5 10 15 20 25 5 10 15 20 25 Die Religion und ihre drei Funktionen Will man sich vom großartigen Wesen der Religion Rechenschaft geben, so muss man sich vorhalten, was sie den Menschen zu leisten unternimmt. Sie gibt ihnen Aufschluss über Herkunft und Entstehung der Welt, sie ver sichert ihnen Schutz und endliches Glück in den Wechselfällen des Lebens, und sie lenkt ihre Gesinnungen und Handlungen durch Vorschriften, die sie mit ihrer ganzen Autorität vertritt. Sie erfüllt also drei Funktionen. In der ersten befriedigt sie die menschliche Wissbegier, tut dasselbe, was mit ihren Mitteln die Wissenschaft versucht, und tritt hier in Rivalität mit ihr. Ihrer zweiten Funktion verdankt sie wohl den größten Anteil ihres Einflusses. Wenn sie die Angst der Menschen vor Gefahren und Wechselfällen des Lebens beschwichtigt, sie des guten Ausganges versichert, ihnen Trost im Unglück spendet, kann die Wissenschaft es nicht mir ihr aufnehmen. Diese lehrt zwar, wie man gewisse Gefahren vermeiden, manche Leiden erfolgreich bekämpfen kann; es wäre sehr unrecht zu bestreiten, dass sie den Menschen eine mächtige Helferin ist, aber in vielen Lagen muss sie den Menschen seinem Leid überlassen und weiß ihm nur zur Unterwerfung zu raten. In ihrer dritten Funktion, wenn sie Vorschriften gibt, Verbote und Einschränkung erlässt, entfernt sie sich von der Wissenschaft am meisten. Denn diese begnügt sich damit, zu untersuchen und festzustellen. Aus ihren Anwendungen leiten sich allerdings Regeln und Ratschläge für das Verhalten im Leben ab. Unter Umständen sind es dieselben, die von der Religion geboten werden, aber dann mit anderer Begründung. Sigmund Freud, Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, S. 589 M3 Eine Frage an Sigmund Freud Wenn ich Sie richtig verstanden habe, stellt Ihre Religionskritik in Aussicht, dass die Menschen eines Tages ganz ohne Religion ihr Leben meistern können. Ist es nicht aber so, dass dieser Anspruch zu viel von den Menschen verlangt? Wer, wenn nicht die Religion, hilft dem Menschen das zu akzeptieren, was er nicht ändern kann, wie beispielsweise die Tatsache, dass alle Menschen einmal sterben müssen? Schon der Gedanke an die eigene Sterblichkeit erzeugt Leid. Wie könnte Wissenschaft hier jemals tröstend wirken? Ich widerspreche Ihnen, wenn Sie folgern, dass der Mensch überhaupt den Trost der religiösen Illusion nicht entbehren kann. Vielleicht braucht der, der nicht an der Neurose leidet, auch keine Intoxikation, um sie zu betäuben. Gewiss wird der Mensch sich dann in einer schwierigen Situation befinden, er wird sich seine ganze Hilflosigkeit, seine Geringfügigkeit im Getriebe der Welt eingestehen müssen, nicht mehr der Mittelpunkt der Schöpfung, nicht mehr das Objekt zärtlicher Fürsorge einer gütigen Vorsehung. Er wird in derselben Lage sein wie das Kind, welches das Vaterhaus verlassen hat, in dem es ihm so warm und behaglich war. Aber nicht wahr, der Infantilismus ist dazu bestimmt, überwunden zu werden? Der Mensch kann nicht ewig Kind bleiben, er muss endlich hinaus ins „feindliche Leben“. Man darf das „die Erziehung zur Realität“ heißen. Sigmund Freund, Die Zukunft einer Illusion (IX), S. 182f M4 Religion ist heilbar! Glossar: Infantilismus, Intoxikation, Neurose, Psychoanalyse N u r zu P rü fz w e c k e E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl g s | |
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