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129 5 10 15 20 25 5 10 15 1. Was wird den Sozialdemokraten mit dem Sozialistengesetz unterstellt (M 1)? 2. Bestimme die Auswirkungen des Sozialistengesetzes (M 2). Berücksichtige die Herkunft der Quelle. 3. Warum gelang es dem Staat nicht, die sozialistischen Ideen zu unterdrücken? 4. Vergleiche Bismarcks Einstellung (M 4) mit der von Bebel (M 5, Seite 111). Nimm dazu Stellung. 5 10 1 Aus dem Sozialistengesetz Am 22. Oktober 1878 wurde das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ im Reichsgesetzblatt veröffentlicht. Paragraph 1 bestimmt: Vereine, welche durch sozialdemokra tische, sozialistische oder kommunis tische Be strebungen den Umsturz der bestehenden Staatsoder Gesellschaftsordnung bezwecken, sind zu verbieten. Dasselbe gilt von Vereinen, in welchen sozial demokratische, sozialistische oder kommunistische auf den Umsturz der bestehenden Staatsoder Gesellschafts ordnung gerichtete Bestrebungen in einer den öffentlichen Frieden, insbesondere die Eintracht der Bevölkerungsklassen gefährdenden Weise zu Tage treten. Günter Schönbrunn (Bearb.), Das bürgerliche Zeitalter, München 1980, S. 430 2 Gesetz und Wirklichkeit In einem Geheimbericht des Berliner Polizeipräsidenten von 24. Juli 1886 heißt es: Die Trägerin der sozialistischen Ideen, die sozialdemokratische Partei, ist über das ganze Reich verbreitet, wohl organisiert, und in stetigem Wachstum begriffen. Sie hat bereits in vielen Beziehungen einen maßgebenden Einfluss auf die Bestrebungen der Arbeiter erlangt, dem diese sich umso williger hingeben, als die sozialdemokratische Partei mit einer gewissen Berechti gung sich darauf berufen kann, dass das bisher auf dem Gebiete der Gesetz gebung zum Besten der Arbeiter Geschaf fene wesentlich ihrer Anregung zu verdanken sei. Gerade deswegen ist aber an die Beseitigung dieses Einflusses, sei es durch regressive*, sei es durch weitere reformato rische Maßregeln, kaum noch zu denken […]. Da die in § 1 des Gesetzes gekennzeichneten Bestrebungen im Lauf der Zeit bei der öffentlichen Agitation immer unverhüllter zu Tage traten, erschien es notwendig, die Zügel wieder etwas schärfer anzuziehen. Es mehrten sich demgemäß die Verbote und Auflösungen öffentlicher Ver sammlungen im ganzen Reich […]. Seitdem herrscht nun äußerlich vollständige Ruhe, und das hat wenigstens den Vorteil, dass der übliche Einfluss der fortgesetzten Aufreizungen auf die große Masse für einige Zeit beseitigt ist. Umso lebhafter aber wird dieselbe Agitation wieder im Geheimen, in Werkstätten, Schanklokalen und auf den beliebten gemeinsamen Ausflügen, die teils mit, teils ohne Beteiligung der Familien unternommen werden, betrieben […]. Was die sozialdemokratische Presse betrifft, so hat die im Inlande erscheinende seit Jahresfrist eine sehr bedeutende Ver mehrung erfahren und den Stand vor Erlass des Sozialistengesetzes bereits überschritten. Allein seit dem 1. Januar d. J. sind zu den bereits bestehenden 9 neue Zeitungen hinzugekommen, so dass deren Gesamtzahl eine Zeit lang auf 50 sich belief. In den letzten Monaten sind zwar 9 davon wieder verboten, aber der Rest ist doch noch sehr erheblich, zumal dazu noch 23 Organe der gewerkschaftlichen Verbände treten, die mehr oder weniger ebenfalls der Sache der Sozialdemokraten dienen. Dieter Fricke und Rudolf Knaak (Bearb.), Dokumente aus geheimen Archiven, Bd. 1: 1878-1889, Weimar 1983, S. 290, 294 und 297 f. * regressiv: rückschrittlich 4 Nicht ohne Klassen kampf In einem Interview mit einem amerikanischen Journalisten sagt Bismarck 1890: Nein, dieser Kampf der Klassen wird niemals aufhören. Ihn lösen zu wollen, wäre dasselbe wie das Problem der Quadratur des Kreises lösen zu wollen […]. Der Sozialismus wird uns noch viel Mühe machen. Den Regierungen ist oft der Vorwurf gemacht worden, es sowohl an Energie wie an Wohlwollen haben fehlen zu lassen. Ich nenne es nicht Nachsicht, wenn ein Mensch so feige ist, dem Druck einer Demonstra tion nachzugeben. Zuweilen besteht das rechte Wohlwollen darin, Blut zu vergießen. Das Blut einer aufrührerischen Minorität*, und zwar zur Verteidigung der Ruhe liebenden und dem Gesetz gehorchenden Majorität**. Günter Schönbrunn (Bearb.), Das bürgerliche Zeitalter, a.a.O., S. 448 * Minorität: Minderheit ** Majorität: Mehrheit 3 Der Kampf des Riesen gegen den Zwerg. Karikatur aus dem „Wahren Jacob“ von 1890. Am 25. Januar 1890 lehnte der Reichstag mit großer Mehrheit eine weitere Verlängerung des Sozialistengesetzes ab, damit lief es am 30. September aus. 4743_129_144_q7.qxd 12.08.2016 8:06 Uhr Seite 129 Nu r z u Pr ü zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn Ve rla gs | |
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