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Ziel: Frankreich isolieren Das europäische Gleichgewicht geriet nach der Gründung des Deutschen Reiches in eine Krise. Der neue Staat war seinen Nachbarn wirtschaftlich und militärisch überlegen. Um ihnen die Furcht vor einem deutschen Vormachtstreben zu nehmen, erklärte Bismarck nach 1871 mehrfach, dass das Deutsche Reich zu den „saturierten“, das heißt zu den territorial zufrieden gestellten Staaten gehöre. Bismarck ging es nach 1871 vor allem um die Sicherung der Westgrenze zu Frankreich: Er fürchtete, dass Frankreich versuchen könnte, Elsass und Loth ringen zurückzugewinnen, falls es einen Bundesgenossen fände. Dafür kamen Österreich-Ungarn und Russ land in Frage. Daher be mühte Bis marck sich um ein Bündnis mit diesen Staaten. Im Dreikaiserabkommen von 1873 verpflichteten sich die Monarchen der drei Reiche, bei jeder Störung des Friedens miteinander zu sprechen. Der „ehrliche Makler“ 1875 erhoben sich einige Völker auf dem Balkan gegen die osmanische Fremdherrschaft. Russland griff 1877 militärisch in den Konflikt ein, um seinen Einfluss auf diese Region auszudehnen und sich einen direkten Weg zum Mittelmeer zu verschaffen. Dagegen protes tierte die britische Regierung. Sie sah ihren freien Zugang zu den Staaten im Nahen und Mittleren Osten gefährdet. Auch die österreichische Regierung war gegen eine Neuordnung auf dem Balkan: Sie muss te den Zerfall des eigenen Vielvölkerreiches in mehrere Nationalstaaten fürchten. In der angespannten Situation profilierte sich Bismarck als „ehrlicher Makler“. Da das Deutsche Reich keine Interessen auf dem Balkan besaß, rief er 1878 die europäischen Mächte zum Berliner Kongress an den Verhandlungstisch. Bis marck konnte den drohenden Krieg zwischen den Großmächten verhindern. Die in Berlin gefundene Lösung befriedigte nicht alle Regierungen. Besonders verärgert war Russland, das aus Rücksicht auf Österreich-Ungarn bereits eroberte Gebiete zurückgeben musste. Zugleich war die russ ische Führung von Bismarck enttäuscht: Sie hatte von ihm als Dank für die neutrale Haltung Russ lands 1866 und 1870/71 eine größere Unterstützung erwartet. Der Ausbau des Bündnissystems Die gespannten deutsch-russischen Beziehungen veranlassten Bismarck, mit Österreich-Ungarn 1879 ein Bündnis abzuschließen. Beide Mächte verpflichteten sich darin, bei einem Angriff Russ lands einander Hilfe zu leisten. Aus diesem Zweibund wurde mit Italien 1882 ein Dreibund. Zugleich ließ der Reichskanzler den Kontakt mit Russland nicht abreißen. 1881 wurde das Dreikaiserabkommen von 1873 in überarbeiteter Form wieder aufgenommen. In diesem geheimen Neutralitätsabkommen beschlossen die Mächte, dass sie sich gegen eine angreifende vierte Macht schützen wollten. Als zwei Jahre später erneute Unruhen auf dem Balkan eine Verlängerung des Abkommens wegen des österreichisch-russischen Gegensatzes unmöglich mach ten, vereinbarte Bis marck 1887 mit Russland ein geheimes Abkommen, das er Rückversicherungsvertrag nannte. Er verpflichtete die Vertragspartner zur Nichteinmischung (Neutralität), falls das Deutsche Reich von Frankreich oder das Russische Reich von Österreich-Ungarn angegriffen würde. In einem Zusatzprotokoll erkannte Bismarck die russischen Interessen an einem Zugang zum Schwarzen Meer an. Er widersprach damit im Grunde dem deutsch-österreichischen Zweibund und dem Dreibund. Im selben Jahr schlossen Italien und Großbritannien ein Mittelmeerabkommen, und Österreich-Ungarn, Italien und Großbritannien einen Orientdreibund. Allgemeines Ziel dieser Bündnisse war, den bestehenden Zustand (lat. status quo) im Mittelmeerraum zu stabilisieren. Das Ende des ersten Reichskanzlers Bismarcks Außenpolitik ging von den Machtverhältnissen in Europa aus. Dies zeigte auch die von ihm nur zögernd begonnene Kolonialpolitik*. Mit ihr wollte er die europäischen Machtverhältnisse beeinflussen. Unter Wilhelm II., der 1888 Kaiser geworden war, änder te sich der politische Hori zont. „Weltpolitik“ wurde zum Maß stab der Außenpolitik Deutschlands. Dafür war Bismarck nicht mehr verantwortlich. Der 75-jährige Kanzler trat 1890 nach Meinungsverschiedenheiten mit dem 29-jährigen Monarchen zu rück . * Zur Kolonialpolitik siehe Seite 154 ff. 131 1 „Dropping the pilot.“ Karikatur von Sir John Tenniel aus dem in England erscheinenden „Punch“, März 1890. Bismarcks Außenpolitik 4743_129_144_q7.qxd 12.08.2016 8:06 Uhr Seite 131 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt m d e C .C .B uc hn er V er la gs | |
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