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139 1 „An die Leserinnen“ 1865 schreibt Louise Otto-Peters in einem Zeitungsartikel: Die Staatsökonomie hat es nachgewiesen, dass dem Staate dadurch, dass der größere Teil der zu ihm gehörigen Frauen […] keine produktive Arbeit verrichtet, ein ungeheures Kapital von Arbeitskraft verloren geht, durch dessen Benutzung der Nationalwohlstand sich heben würde; aber ganz abgesehen von dem, […] lehrt es die Erfahrung des Alltagslebens, dass es dem weitaus größeren Teil der Männer – der Ehe männer und Väter – nicht mehr möglich ist, die weiblichen Mitglieder ihrer Familie allein zu ernähren; dass aus eben diesem Grund viele Männer gar nicht heiraten und dass unverheiratet bleibende Frauen und Witwen darauf angewiesen sind, ihr tägliches Brot sich selbst zu verdienen und oft auch noch das für alte Eltern und Kinder. […] Diese Notwendigkeit […] ist durchaus kein Unglück: Das Unglück liegt allein darin, dass ihnen bisher so wenig Wege offen standen, dies zu tun, und dass man sie nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet, ihnen überhaupt fast alle diejenigen Gelegenheiten, sich ausoder fortzubilden, entzieht, die man Knaben und Männern bietet. […] In dem Vorwort zur ersten Ausgabe der Frauenzeitschrift „Neue Bahnen“ schreibt Louise Otto-Peters 1866: Die Frauen […] sind aus ihrer Gesonderheit herausgetreten und haben sich zu einem großen Bunde vereinigt, weil nur durch Vereinigung ein allen gemeinsames Ziel zu erreichen ist. Wir wollen […] nicht am Gängelbande irgendeiner politischen Partei auf vorgeschriebenen Pfaden für unsere Rechte in die Schranken treten – wir wollen allein […] im Dienste […] echter Weiblichkeit die neuen Bahnen einschlagen, die den deutschen Frauen des neunzehnten Jahrhunderts zu wandeln ziemen. Ruth-Ellen Boetcher Joeres, Die Anfänge der deutschen Frauenbewegung: Louise Otto Peters, Frankfurt a. M. 1983, Seite 183 und 195 3 Anspruch und Wirklichkeit 1891 hatte die SPD in ihrem Erfurter Programm das Frauenwahlrecht und die „Abschaffung aller Gesetze, welche die Frau […] gegenüber dem Manne benachteiligen“ gefordert. Drei Jahre später bemerkte Clara Zetkin auf dem SPD-Parteitag: Die Frauen sind nun einmal rechtlos, und es ist ihnen beim besten Willen unmöglich, an der Organisation der Männer teilzunehmen. Die Masse der Frauenwelt ist im Allgemeinen rückständiger als die Männerwelt, die weiblichen Delegierten können in gemeinsamen Versammlungen häufig nicht konkurrieren mit den Männern, das führt zu Reibereien. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Frankfurt a. M. vom 21. bis 27. Oktober 1894, Berlin – Bonn 1978 (Reprints zur Sozialgeschichte), Seite 174 5 10 15 20 25 30 35 40 2 Sollen Frauen studieren? 1895 wurden über 100 deutsche Professoren gefragt, was sie von einem Frauenstudium hielten. Auszüge aus den Zuschriften: Deutsche Wissenschaft ist Männerwerk. Adolf Lasson, Philosoph und Psychater Amazonen* sind auch auf geistigem Gebiet naturwidrig. Max Planck, Physiker Der Frauen höchstes Ziel muss der häusliche Herd, das Familienheim bleiben, soll anders die Weltordnung nicht verdorben werden. Franz Reigel, Mediziner Dass das weibliche Geschlecht in Bezug auf geistige Produktivität durchschnittlich weniger gut veranlagt ist als das männliche, darüber kann kaum ein Zweifel bestehen. Emmanuel Mendel, Psychiater Frauenstudium auf den Universitäten scheint mir ein entbehrlicher Luxus von fraglichem Wert zu sein. Georg Busolt, Historiker Nach: Brigitte Löhr (Hrsg.), Frauen in der Geschichte. Grundlagen Anregungen Materialien für den Unterricht, Bd. 1, Tübingen 1993, Seite 158 ff. * Amazone: männlich auftretende Frau 1. Wie sieht Louise Otto-Peters die Lage der Frau in der Gesellschaft (M 1)? Leite politische Forderungen aus ihren Überlegungen ab. 2. Verfasse Antworten auf die Aussagen der Professoren (M 2). 3. Auf welches Problem weist Clara Zetkin hin (M 3)? Besteht es heute noch? 4 Plakat. Mit diesem Anschlag (83 x 60 cm) warb die sozialistische Frauenbewegung 1914 für das Frauenwahlrecht. Der Berliner Polizeipräsident hielt die Schlagzeile für eine Beleidigung der Obrigkeit und verbot die Plakatierung. 5 10 15 5 10 ■Internettipp ➜ Online-Ausstellungen befinden sich unter www.frauengeschichte.unibonn.de/ausstell/ausstart.htm und www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/innenpolitik/frauen/index.html 4743_129_144_q7.qxd 12.08.2016 8:06 Uhr Seite 139 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge t m d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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