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Schon seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. galt die Überzeugung, dass jedem das ihm Gebührende (lat. suum cuique) zukommen müsse. Zudem sollte der Rechtsweg möglichst nur als letzter Ausweg beschritten werden: „Das äußerste Recht ist das äußerste Unrecht“ (lat. „summum ius summa iniuria“), so der bekannte Hinweis, den juristischen Bogen nicht zu überspannen. Die Kaiser konsultierten Beratergremien aus professionellen Juristen. Sie kannten die Auslegung der Gesetze und erteilten Rechtssuchenden Rat. Seither waren Prozesse mit Anklage, Verteidigung und einem abschließenden Urteil durch einen staatlichen Richter üblich. Rechtsgleichheit im modernen Sinne gab es allerdings lange nicht; erst im Jahre 212/13 stellte eine kaiserliche Verordnung, die Constitutio Antoniniana, alle freien Einwohner des Reiches rechtlich gleich, indem sie ihnen das römische Bürgerrecht verlieh. Römisches Recht in der Spätantike: das „Corpus Iuris Civilis“ Kaiser Justinian gab den Auftrag, die inzwischen unübersehbare Zahl an Rechtsquellen aus tausend Jahren römischer Rechtsentwicklung zusammenzustellen, zu ordnen und zu vereinheitlichen. „Der beste Schutz des Staates beruht auf zwei Grundlagen, den Waffen und Gesetzen“ – so lautete seine Erklärung. Die Sammlung wurde 533 n. Chr. veröffentlicht und für verbindlich erklärt. Seit dem 16. Jahrhundert wird sie Corpus Iuris Civilis genannt. Sie bestand aus drei Teilen: einer Sammlung des Kaiserrechts, einer Sammlung des Juristenrechts, den Digesten, sowie einem juristischen Lehrbuch für Anfänger. Später kamen noch die Novellen hinzu, eine Sammlung kaiserlicher Gesetze (u M3). Die Wirkung des Römischen Rechts in Mittelalter und Neuzeit Das umfangreiche römische Rechtswerk beeinfl usste die europäische Rechtslehre maßgeblich. Während der Völkerwanderungszeit vermischten sich viele römische Rechtssätze mit germanischem Stammesrecht. Trotzdem wurden auch die Handschriften des Corpus Iuris Civilis über Jahrhunderte überliefert und für die Nachwelt bewahrt. Während des Mittelalters dienten sie seit dem 11. Jahrhundert der Ausbildung von Juristen. Die römisch-deutschen Kaiser des aus zahlreichen Herrschaftsgebieten bestehenden Reiches verstanden das Römische Recht als Kaiserrecht, in dessen Tradition sie ihre Herrschaft stellten, nachdem ihnen im Kampf um die Investitur hoher Geistlicher ihr sakraler Charakter abgesprochen worden war.* An den aufblühenden Universitäten wurden Studenten im Römischen Recht unterrichtet. Als 1495 das Reichskammergericht neu organisiert wurde**, mussten die Richter sich verpfl ichten, nach dem allgemeinen Justinian (482 564): oströmischer Kaiser. Er versuchte in seiner langen Regierungszeit (527 564) das geteilte und durch Völkerwanderung geschwächte Weltreich der Römer wiederherzustellen. Die von ihm veranlasste Sammlung des gesamten römischen Rechts, das Corpus Iuris Civilis, gilt als eine Grund lage der europäischen Rechtsentwicklung. * Vgl. dazu S. 20 ff. ** Vgl. zum Reichskammergericht S. 33. u Nachbildung einer Tafel mit Vorschriften aus dem „Zwölf-Tafel-Gesetz“. Die um 450 v. Chr. auf dem Forum Romanum aufgestellten Tafeln wurden im 4. Jahrhundert v. Chr. vernichtet. Aus Abschriften konnten sie rekonstruiert werden. Die hier abgebildete Tafel enthält unter anderem folgende Anweisungen zum Prozessrecht: „Wenn ein Kläger einen Beklagten vor Gericht ruft, muss der Beklagte vor Gericht erscheinen. Wenn er nicht kommt, soll ein Zeuge hinzugezogen werden. Dann soll der Kläger den Beklagten ergreifen. Wenn der Beklagte Ausfl üchte macht oder fl iehen will, soll der Kläger ihn festnehmen.“ p Vergleichen Sie: Wer ist heute zuständig für die Ergreifung eines Angeklagten? 13Antike Grundlagen europäischen Denkens im Überblick Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt m d es .C .B uc hn er V er la gs | |
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