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Von Bedeutung waren auch die beiden höchsten Gerichte des Reiches: Das auf dem Wormser Reichstag 1495 eingerichtete Reichskammergericht (ab 1527 fest in Speyer, ab 1690 in Wetzlar) sollte eine friedliche Lösung von Konfl ikten und damit den Ewigen Landfrieden innerhalb des Reiches garantieren. Dieses Gericht wurde von den Reichsständen bestimmt und war von der persönlichen Rechtsprechung des Kaisers, dem bislang höchsten Richter des Reiches, unabhängig. Um sich in Rechtsangelegenheiten gegenüber den Ständen zu behaupten, gründete Maximilian I. 1497 den Reichshofrat. Er wurde vom Kaiser eingesetzt und hatte seinen Sitz seit dem 16. Jahrhundert in Wien. Bei den obersten Reichsgerichten konnte Berufung gegen Entscheidungen der landesherrlichen oder reichsstädtischen Gerichte eingelegt werden. Die Gerichte arbeiteten schwerfällig. Trotzdem trugen sie langfristig zu einer vergleichbaren Rechtsprechung im Reich bei. Zur Durchsetzung des Ewigen Landfriedens wurde das Reich 1512 in zehn Reichskreise eingeteilt. Zu ihren Aufgaben gehörte es, den Frieden zu sichern, Münzund Geldwesen zu regeln, Urteile des Reichskammergerichtes zu vollstrecken und Truppen für das Reichsheer zu stellen. Nach neueren Forschungen war die Arbeit der Reichskreise sehr effi zient. Das Reich nach dem Westfälischen Frieden Die Reichsordnung, die sich zwischen Kaiser und Ständen eingespielt hatte, schrieb der Westfälische Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg fest (u M2). Er galt – wie die „Goldene Bulle“ – bis zum Ende des Alten Reiches 1806 als „Fundamentalgesetz“. Als solches bestätigte er den Herren der das Reich bildenden Territorien die uneingeschränkte Landeshoheit in ihren Gebieten, also die Freiheit und Kompetenz, alle den eigenen Herrschaftsbereich betreffenden Angelegenheiten selbst zu regeln. Das Reich war nur für jene Fragen oder Bereiche zuständig, die das einzelne Territorium nicht mehr lösen konnte oder wo man gütlich und einvernehmlich Regelungen auf den Reichstagen traf. Trotzdem darf man die Rolle des Kaisers bzw. der Reichsorgane nicht gering einschätzen. Reichskammergericht und Reichshofrat bewirkten ein beachtliches Maß an Rechtssicherheit. Vor allem kleinere Herren konnten diese Gerichte anrufen, wenn sie sich in ihren Rechten durch mächtigere Nachbarn eingeschränkt oder gar gefährdet sahen. Diese Konstruktion gab dem Kaiser immer wieder die Möglichkeit, sich aktiv in die Reichspolitik einzuschalten, sicherte die Existenz kleinerer Herrschaften und machte sie so zu einem wichtigen Verbündeten des Kaisers gegen die mächtigen Reichsstände. Ähnlich ausbalanciert waren die Bestimmungen, die den Reichsständen Bündnisfreiheit gewährten, ihnen aber Bündnisse gegen den Kaiser und das Reich untersagten. Umgekehrt konnte der Kaiser allein nicht über Krieg und Frieden entscheiden, sondern war an die Zustimmung des Reichstages gebunden. Das komplizierte Zusammenspiel von Kaiser und Ständen hatte das Ziel, nach dem zerstörerischen, dreißig Jahre wütenden Krieg Frieden zu schaffen und dauerhaft zu erhalten. Das Ergebnis war eine ausgewogene Machtbalance zwischen dem Kaiser und den Ständen. Sie verhinderte, dass der Kaiser absolutistisch regierte. Vor seiner Krönung musste er die Rechte der Stände regelmäßig in einer sogenannten Wahlkapitulation bestätigen. Sie band die Reichsstände aber nach wie vor als Lehnsnehmer an den Kaiser. Die Existenz des Kaisers und der Reichsgerichte verhinderte auch, dass sich in den Territorien ein ungezügelter Absolutismus durchsetzen konnte. Die Fürsten durften zudem nicht gegen das Sicherheitsinteresse des Reiches oder einzelne seiner Mitglieder verstoßen. Auf diese Weise wurde die föderative Struktur des Reiches gestärkt und eine effi ziente Form vertikaler Gewaltenteilung geschaffen. Ewiger Landfrieden: auf dem Wormser Reichstag 1495 getroffener Beschluss zur Friedenswahrung, der defi nitiv und unbefristet das Verbot der Fehde, der gewaltsamen Selbsthilfe und des „Raubrittertums“, aussprach. Er machte den Rechtsschutz zur Sache der öffentlichen Hand, an die Stelle der Selbsthilfe trat der Rechtsweg. Trotzdem wurden bis weit in das 16. Jahrhundert noch Fehden geführt. 33Wurzeln des modernen Föderalismus im Heiligen Römischen Reich Nu r z u Pr üf we ck en Ei ge nt um d es C .C .B uc ne r V er la gs | |
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